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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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faßte sie sich und sprach, zu Nero gewendet: »Wie kömmt es, mein teurer Sohn, daß hier an deiner Stelle ein dritter mir antwortet?«
    »Das hat vielleicht seinen Grund in der Thatsache, daß du mitunter gehandelt hast, wo ich hätte handeln sollen. Tigellinus vertritt mich.«
    »Außerordentlich gnädig, wenn auch nicht ganz nach meinem Geschmack. Wenn ich den Herrn suche, so verbitt' ich mir die Bediensteten.«
    Tigellinus lehnte im Vollgefühl seiner Sicherheit lächelnd an dem korinthischen Marmorpilaster. Er hatte die Toga nicht abgelegt. So glich er in seiner selbstgefälligen Stellung einem hellenischen Rhetor, der seine dankbare Zuhörerschaft durch die funkelnde Grazie seiner Antithesen ergötzt.
    »Wisse,« wandte sich Nero zu Agrippina, »daß Tigellinus mein Freund, mein Berater, keineswegs aber mein Bediensteter ist.«
    »Beim Styx, er scheint mir beinahe dein Herrscher zu sein! Jeglichen Einfluß auf deine Entschließungen hat er an sich gerissen, und diesem Einfluß entsprechen die kläglichen Resultate. Frage doch Rom, ob es neuerdings stolzer und glücklicher ist! Ich war nicht zaghaft in der Wahl meiner Mittel, – das bekenne ich rückhaltlos. Ich wollte eine Regierung von Stahl, eine Herrschaft der absoluten Gewalt. Nur so läßt der Aufruhr sich bändigen, die Ordnung und das öffentliche Gedeihen sich schützen. Jetzt aber, welch ein widerwärtiges Gaukelspiel der Versumpftheit! Ihr tyrannisiert, wie ihr Wettfahrten anstellt: nur des Vergnügens halber. Niedrige Günstlinge schalten mit dem Besitztum des Volkes, wie Betteljungen mit verrosteten Spielmarken. Leute, die ein gewisses Talent für die Herrichtung üppiger Festgelage besitzen, geben sich dreist für Staatsmänner aus, heben erprobte Freunde des Kaiserhauses, wie Burrus, fast aus dem Sattel und liebäugeln mit den Truppen, als gälte es, noch vor Abend die Würde des Oberbefehlshabers anzutreten. Selbst ein Seneca muß sich unter das Joch beugen. – Dabei leisten diese Schmarotzer nicht einmal das Notwendigste für deine Sicherheit. Ich, ich muß Wache halten. Und wenn ich nun komme dir zuzurufen: ›Du bist gerettet!‹ – dann tritt mir so ein . . . würdiger Tigellinus entgegen und lispelt: ›Beruhige dich! Was du gethan hast, war überflüssig! Wir hatten schon vorgebeugt . . .‹ Ich aber sage dir kurz und bündig: Er lügt! Und nochmals er lügt!«
    Die dunkeln Augen des Tigellinus sprühten ihr einen Blitz unversöhnlichster Feindschaft entgegen. In der That aber nur ein Blitz. Gleich danach zeigte das schöne, verlebte Antlitz wieder die einförmige Ruhe des Höflings.
    »Herrin,« begann er mit überraschender Gleichgültigkeit, »was du gesagt hast, bedaure ich. Der Mutter des Kaisers darf Tigellinus nicht antworten. Daß der Vorwurf der Lüge auf mich keine Anwendung findet, davon ist Nero durchdrungen. Alles übrige kann mir gleichgültig sein. Er ist der Herrscher. Sein Wille allein hält mich oder verstößt mich. Jetzt noch eins! Da du so gründlich über die Pläne der Rebellion unterrichtet bist, so hast du wohl auch gewußt, wer zuvörderst auf der Liste der Proskribierten stand? . . . Soll ich deinem Gedächtnis zu Hilfe kommen? Du selber, Kaiserin Agrippina, warst dieser Ehre teilhaftig, und du dankst sie dem Pharax, deinem ehemaligen Schützling. Siehst du, nun gewinnt diese sogenannte Verschwörung mit einemmal eine ganz veränderte Physiognomie. Dir selber, göttliche Agrippina, ging's an die Gurgel, – und deshalb, nur deshalb hat Pallas mit seiner hochklopfenden Männerbrust die Rolle des Schicksals gespielt. Hätte der Plan sich lediglich gegen den Kaiser gerichtet . . . mit der Nebenbestimmung, du solltest an seiner Stelle den Thron besteigen, – Pallas wäre nicht halb so eifrig ins Zeug gegangen.«
    »Elender Bube!« rief Agrippina, rasend vor Leidenschaft.
    Dann zum Kaiser gewendet: »Nero, mein Sohn, glaubst du denn diesem Schurken? Ich – ich . . . o es ist schauderhaft! Hab' ich in dir, meinem Abgott, nicht von jeher das Beste und Höchste geliebkost, was ich vom Leben erwartete?«
    »Auch den Britannicus hast du geliebkost,« stöhnte der Imperator. »Dennoch wurdest du seine Mörderin.«
    »Wer sagt das? Zeige mir den Verruchten, der so ehrlose Lügen wagt, auf daß ich ihn töten lasse!«
    »Ich möchte dem Cäsar die Pein erspart wissen, die Quelle zu nennen,« flüsterte Tigellinus. »Aber wenn er sich sonst nach einer Persönlichkeit umsieht, die ihm die Wahrheit seiner

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