Nero
langhin aufs Lager gestreckt.
Die Schritte des Kerkermeisters verhallten. Grabesstille brütete über dem lichtlos-dumpfen Gelaß.
Der junge Mann schloß die Augen. Ein freundliches Frauenantlitz tauchte vor seiner Seele empor, ein Gesicht, das weder schön war, noch jugendlich, aber so mild, so über alle Beschreibung gut, – das Antlitz seiner in Rhegium wohnenden Mutter.
Noch einmal krampfte sein Herz wild und schmerzlich zusammen. Dann glitt ein Lächeln über den einst so beredten Mund. Er führte, tief atemholend, den linken Arm an die Zähne und biß sich mit einem einzigen Rucke die Adern auf.
Drei Stunden später wollte der Kerkermeister ihn wecken. Pallas, noch glühend von den betäubenden Küssen der Kaiserin, stand in der Vorhalle, um das Verhör zu beginnen.
Diesmal hatte das alte catonische Rom über das Rom der Entartung gesiegt. Der Vertraute der Agrippina fand einen blutüberströmten Leichnam.
Fünfzehntes Kapitel
Am folgenden Morgen, zwei Stunden nach Sonnenaufgang, weilte der Kaiser in seinem luftigen, springbrunngekühlten Schlafgemach, wo er mit dem nachgerade unentbehrlich gewordenen Agrigentiner ein üppiges Frühmahl genoß.
Tigellinus, der unter den Sklaven und Sklavinnen Agrippinas mehrere dienstwillige Geschöpfe erkauft hatte, die ihm alles und jedes mit großer Promptheit berichteten, wußte schon längst, was sich im Hause des Lucius Menenius ereignet hatte. Auch das zärtliche Abenteuer der Kaiserin mit dem Führer der Expedition war ihm pünktlich vermeldet worden.
»Vielteurer Cäsar,« begann er, nachdem er die letzte lucrinische Auster mit süßem Falernerweine beträufelt hatte, »hab' ich dir schon erzählt, daß Agrippina aufs neue den Arm nach dem Scepter ausstreckt?«
»Wieso?«
»Nun, seit Wochen plant sie einen Geniestreich . . . Sie möchte dir's unter die Augen reiben, daß niemand als sie allein den Scharfblick der geborenen Regentin besitzt. Du sollst erschrecken; ihre Oberhoheit wiederum anerkennen; – kurz, ihr Spielzeug werden, wie ehedem.«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Vielteurer Cäsar, du kennst die Vergangenheit Agrippinas, – aber nicht ihre Gegenwart. Glaube mir: die Gattin des ermordeten Claudius hat nichts vergessen . . . Ich bin dein Freund, Cäsar . . . Ich fürchte, du möchtest dich aufregen, wenn du erführest . . . Gestatte mir einen Vorschlag! Wenn Agrippina jetzt eintritt – zweimal schon hat sie fragen lassen, ob du erwacht seist – so laß mich an deiner Stelle auf ihre seltsamen Heucheleien die Antwort erteilen! Du wirst dann gleichzeitig wahrnehmen, daß Tigellinus in allem, was sich aufs Wohl und Wehe des Imperators bezieht, mindestens ebensogut unterrichtet ist, als die Kaiserin-Mutter, die sich immer und immer wieder gegen dich auflehnt.«
»Ganz wie du willst. Ich vertraue dir vollständig. Aber nun sag mir, bei allen Göttern . . .«
Der Agrigentiner blinzte ihm zu. Der Sklave Cassius war eingetreten. Er meldete Agrippina.
»Mein Sohn,« hub die Fürstin nach kurzer Begrüßung an, »du weißt, es hat mir von jeher ferne gelegen, mit meinen Verdiensten vor dir und dem römischen Volke prahlen zu wollen. Dennoch muß es gesagt sein: Hielte die Mutter des Kaisers ihr vorsorgliches Auge nicht offen, so wärest du jetzt schon vielleicht ein Opfer schamloser Mordgesellen.«
Nero warf ihr einen zweifelnden Blick zu.
»Gewaltige Herrin,« lächelte Tigellinus, »ich fürchte, du versetzest den Kaiser in grundlose Aufregung. Oder irre ich, wenn ich vermute, es handle sich um die abgeschmackte Verschwörung des Lucius Menenius?«
Agrippina prallte zurück.
»Woher weißt du?«
»Man ist so ziemlich allwissend, Herrin, wo die Pflicht es erheischt. Meine Soldaten, die heute nach Sonnenaufgang die beiden Menenier in ihrer Wohnung verhaften sollten, kehrten unverrichteter Sache wieder zurück. Man hatte im Namen der Kaiserin Agrippina zur Nachtzeit Blut vergossen. Didius war tot, Lucius hinweggeschleppt. Inzwischen hat er im Kerker sich selbst entleibt. Ich bitte dich, Herrin, welche Begebnisse! Pallas hat sich augenscheinlich stark übereilt. Allzu glühend strebt er nach deiner Gunst. Jedenfalls hat Rom jetzt einen lauten Skandal zu verzeichnen, während sich sonst alles gesetzmäßig und geräuschlos entwickelt hätte.«
Die Kaiserin-Mutter war blaß geworden. Sie warf dem Agrigentiner, dessen Kniff sie durchschaute, ohne ihn doch widerlegen zu können, einen vernichtungsgierigen Blick zu.
Dann aber
Weitere Kostenlose Bücher