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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Dieser Lucius Menenius war ja ein unbezahlbarer Fund! Wenn der tollkühne Staatsverbrecher, gleichsam durch ihn, Pallas, beredet, die tausend geheimen Fäden jener Verschwörung bloßlegte: welch eine thronerhaltende That für den Vertrauten der Kaiserin!
    Und wie die Götter das alles gefügt hatten! Der unglaublichste Glücksfall! Bis dahin hatte ja niemand die leiseste Ahnung gehabt! Nur daß Lucius Menenius ein Feind des Palatiums war, und daß heute nacht eine späte Zusammenkunft bei ihm stattfinden sollte, nur das hatten die Kreaturen der Kaiserin ausgekundet: – sonst nichts!
    »Die Uranionen verwöhnen mich,« dachte Pallas.
    Dann, zu Lucius gewandt, sagte er vornehm: »Sei's! Ich verspreche dir's. Man soll dir ein Lager bereiten, wie du's gewohnt bist, – und die Toga behältst du.«
    Acht prätorianische Krieger nahmen jetzt den Verhafteten in die Mitte. Pallas empfahl ihnen eine rücksichtsvolle Behandlung. Für den Beschließer des mamertinischen Kerkers schrieb er einige Worte in seine Wachstafel. Dann aber eilte er, nur von drei seiner Soldaten begleitet, auf den Fittichen eines unwiderstehlichen Hochgefühls nach dem Palatium. Agrippina hatte den Wunsch geäußert, möglichst frühzeitig Kunde von dem Erfolge des Ueberfalls zu erhalten. Nero dagegen wußte noch überhaupt nicht, daß die Kaiserin-Mutter so insgeheim für die Wiederbefestigung ihres Einflusses wirkte.
    Die drei Soldaten im Vorhof zurücklassend, wandte sich Pallas mit äußerster Vorsicht nach den Gemächern seiner schon ungeduldig harrenden Gönnerin. Eine griechisch gekleidete Sklavin öffnete ihm, und zog sich alsbald mit einem seltsam-pfiffigen Lächeln zurück.
    Unverhofft, und zum erstenmal zu so ungewöhnlicher Stunde, sah sich Pallas mit Agrippina allein.
    Von der Decke des märchenhaft ausgestatteten Raumes hing in Gestalt eines fliegenden Phönix die berühmte purpurne Ampel, ein Meisterwerk des alexandrinischen Künstlers Anthrax. Sie verbreitete eine rosige, wunderliebliche Dämmerung. Agrippina lehnte in einem der Ruhesessel. Ihre prunkvolle Schönheit, durch die entglittene Tunica halb nur verhüllt, wirkte in dieser märchenhaften Beleuchtung verführerisch. Man glaubte unter der durchsichtig-schimmernden Haut das ambrosische Blut kreisen zu sehen.
    Pallas, mit jeder Feinheit der palatinischen Sitte vertraut, kniete bedächtig nieder, legte die Hand auf die Brust, wie ein Mann, der gewillt ist, sein ganzes Dasein freudig zum Opfer zu bringen, und sprach mit stürmisch bewegter Stimme: »Herrin, wir haben's erreicht.«
    Sie lächelte voll überschwenglicher Huld.
    »Ich wußte, daß der gefürchtete Pallas nur
mit
dem Schild oder
auf
dem Schild heimkehren würde,« sagte sie theatralisch. »Weiter! Berichte das Einzelne!«
    Pallas, noch immer knieend, erzählte, was vorgefallen.
    »Morgen in aller Frühe« – so schloß er im Ton eines Weltbeherrschers – »wird der Gefangene mir sämtliche Rädelsführer beim Namen nennen. Dann: ein mutiger Griff, und die ganze hundertköpfige Hydra ist lahmgelegt.«
    Agrippina bot ihm die Hand. »Wahrlich, du hast dich wohl verdient gemacht um deine dankbare Freundin! Glaube mir: diese Stunde bedeutet das Wiederaufblühen meiner Autorität! Ich werde dem übermütigen Tigellinus, der öden Poppäa, kurz, allen, die den Kaiser umstrickt halten, die Frage ins Antlitz schleudern: ›Was habt ihr gethan, um dieser rebellischen Anzettelung zu begegnen?‹ Und wenn sie verstummen, dann soll die Kunde von dem, was ich geleistet, wie helles Fanfarengeschmetter weit über das römische Reich schallen. Vor aller Welt soll Claudius Nero bekennen: ›Agrippina hat mir das Leben gerettet. Sie allein ist fähig, den Thron der Cäsaren wirksam zu schützen!‹ Nun aber komm, du ruhmgekrönter, glücklicher Triumphator! Ich muß dich umarmen.«
    Pallas beugte sein Antlitz über die weiße Hand Agrippinas, und drückte, leise erschauernd, die Lippen darauf.
    »Nein, so war's nicht gemeint,« raunte sie zärtlich.
    Aus ihren nachtschwarzen Augen sprühte ein versengender Blitz. Pallas erschien ihr in diesem Moment wie ein Heros, der nach zwanzig gewonnenen Schlachten ans Herz der Geliebten heimkehrt.
    »Küsse mich auf den Mund!« hauchte sie schmachtend. »Fürchtest du dich? O du närrisches großes Kind!«
    Und jählings, als drücke ein unsichtbarer Finger auf ihre Dochte, erlosch die Ampel.
    Fast in der gleichen Minute hatte sich Lucius Menenius in der Quaderzelle des Staatsgefängnisses

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