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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Behauptung eidlich erhärten möge – wohl: ich erbiete mich.«
    Agrippina war sprachlos. Händeringend sah sie sich um.
    »Ist denn niemand hier im Palatium,« schrie sie endlich mit halb versagender Stimme, »der diesen Schuft da in Ketten wirft?«
    »Niemand, solange mich Nero beschirmt.«
    Agrippina kreuzte die Arme wild vor der Brust. Sie warf ihrem Sohn einen Blick der tiefsten Geringschätzung, der äußersten Bitternis zu.
    »Das also ist der Lohn für meine thörichte, maßlose Mutterliebe!« sagte sie zitternd. »Wahnwitziger Knabe, ich rate dir: sieh dich vor! Am Ende möchtest du doch noch erleben, was Agrippina vermag, wenn sie die Muskeln strafft!«
    Nero stützte die trauerumwölkte Stirn auf die Handfläche. Mit dem unbeweglichen Blick eines Visionärs starrte er bleich vor sich hin.
    »Hättest du mir die eine gelassen!« sagte er tonlos. »Ach, so manches wäre besser gekommen! Acte, du unvergleichliche Tote, ist's denn der Wille des Fatums, daß ich dir ewig, ewig nachweinen soll?«
    »Recht so!« höhnte ihn Agrippina. »Lottre bis tief in die Nacht mit liederlichen Gesellen und schamlosen Weibern, um dann des Morgens wehleidig und geknickt zu thun! Das ist cäsarenhaft! Das ist göttlich!«
    Nero hörte nicht, was sie sprach. Um so klarer verstand sie der Agrigentiner. Mit großer Lebhaftigkeit trat er vor.
    »Was verstehst du unter schamlosen Weibern?« fragte er augenrollend. »Meinst du die schönheitsstrahlende Jugend, die sich im Rausch ihrer Lebenswonne vom Weg der Tugend verirrt, oder ausgereifte Matronen – etwa in deinem Alter, wenn sie verspäteter Liebeswahnsinn aus einem Arm in den andern schleudert?«
    Die Hände der Kaiserin zuckten vor ohnmächtiger, hirnzerfressender Wut. Ein Röcheln stieg ihr aus der kochenden Brust heraus, das wie der erste Ansatz zu dem Gebrüll eines reißenden Tieres klang. Es währte geraume Zeit, eh' sie im stande war sich zu regen.
    »Gehab dich wohl!« rief sie dem Kaiser zu. »Ueberlege dir, was ich gesagt habe! Rette dich, eh' es zu spät ist!«
    Ohne auf Tigellinus zu achten, schritt sie, das zorndurchzitterte Haupt im Nacken, majestätisch hinaus.
    »Welch ein Mißgeschick!« stammelte Nero, als der bequastete Vorhang über die Thüre gefallen war. »Ehedem hab' ich sie wahrhaft geliebt. ›Der besten Mutter‹ – das war die Losung, die ich am Tag meiner Thronbesteigung den Prätorianern erteilte. Und jetzt?«
    »Freilich!« seufzte der Agrigentiner. »Aber ist's deine Schuld, wenn sich dein Pietätsgefühl nach und nach abstumpfte? Sie hat's nicht besser verdient, – bei allem, was heilig ist!«
    Nero seufzte tief auf.
    »Sende mir meinen Cassius,« sprach er beklommen. »Er soll mich ankleiden.«
    »Wie du befiehlst. Inzwischen geh' ich zu Seneca und berichte ihm. Die Untersuchung muß heute noch eingeleitet, die Sklaven und Freigelassenen des Lucius Menenius müssen verhaftet werden.«
    »Meinetwegen. Nur vertagt mir um dieser Erbärmlichkeit willen den Aufbruch nach Bajä nicht! Ach, dies erquickliche, trostreiche Bajä! Immer und immer wieder lockt es die duldende Seele mit tausend Schmeicheltönen. Dort am Gestade des Golfes lebt es sich leichter, als zwischen den Mauern der Siebenhügelstadt. In Bajä vergißt man doch zuweilen das Elend, mit dem uns die Götter gestraft haben: die Qual, Mensch zu sein.«
    Der Agrigentiner hatte die Unterredung mit Seneca heuchlerisch vorgeschützt. In Wahrheit begab er sich nach dem zweiten Cavädium, wo Poppäa Sabina, allen Sittenrichtern zum Trotz, ihre Wohnung genommen.
    Eilig überschritt er die Marmorschwelle des himmelblau getäfelten Oecus, der so zauberisch nach athenischen Veilchen duftete.
    Die Geliebte des Imperators empfing ihn mit freundschaftlicher Vertrautheit.
    Man wechselte flüsternd ein paar sehr gewichtige Worte. Dann winkte Poppäa ihrer phönicischen Freigelassenen Hasdra, die seitwärts auf einem Polsterkissen gekniet und funkelnden Auges gebetet hatte.
    Poppäa raunte dem Mädchen etwas ins Ohr.
    Hasdra senkte die Wimpern. Sie nickte, als handle es sich um etwas längst schon Vereinbartes. Hiernach verschwand sie im Seitengemach.
    Unterdessen harrte der Kaiser auf seinen Kammersklaven.
    Im Anfang ohne jegliche Ungeduld. Seine Gedanken weilten noch immer bei dem, was er soeben erlebt hatte.
    Dann aber plötzlich erstaunte er, daß man es wagen durfte, ihn, den Beherrscher des Weltalls, warten zu lassen, wie den Kuchenverkäufer in der Barbierstube.
    Wenn er doch wollte, so waren

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