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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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die unvorsichtigen Sklaven, ehe der Tag verstrich, an das Kreuz genagelt!
    Jetzt noch in der Vollkraft der Jugend – und gleich danach eine formlose Masse, ein Haufen abgetakelter Knochen und Muskeln, die einst gelebt hatten!
    Er verfolgte diesen Gedanken weiter . . .
    Nicht nur die Sklaven waren sein Spielwerk: auch sämtliche Freigeborenen; – alle Staatsbürger, alle Ritter und Senatoren, bis hinauf zu den Konsuln . . .
    Welch ein sonderbares Gefühl! Er legte die Hand über die Augen, als ob ihn jählings ein Schwindel ergreife.
    In der That: bei Lichte betrachtet, saß kein einziger Kopf in dem unermeßlichen Rom fest auf den dazu gehörigen Schultern. Er war vom Rumpfe getrennt, sobald es den Cäsar gelüstete, ihn herunter zu säbeln. Es bedurfte nur eines schwächlichen Vorwandes, – und die fürstliche Laune glich einem Akt des Gesetzes. An solchen Vorwänden aber wäre kein Mangel gewesen. Das Hofgesindel, das ihm zu Füßen kroch, – pah, die Schufte hätten für zehn Denare beeidigt, daß Rom ein Dorf und der Pontifex Maximus ein verkleidetes Weib sei . . .
    Eine verrückte Welt, die so dem einzelnen die Macht über alle gab! Ja, über alle! Den reichsten Senator konnte er durch ein Zucken der Wimper zum Bettler machen, die tugendhafteste Gattin zur Straßendirne.
    Mehr noch! Wenn's ihm beliebte, so war der niedrigste, schmutzigste Leichenträger morgen Proprätor, und die verbuhlteste Gaditanerin wandelte gleichberechtigt an der Seite der Edeldamen.
    Cäsar! Das klang majestätisch, wie Jupiter!
    Nicht majestätischer?
    Nero hielt ja wirklich den Donnerkeil in der Faust, während Jupiter ein Gespenst war. Nero Cäsar thronte in Wahrheit über dem Weltreich; Jupiter lebte nur im Gehirne des Pöbels.
    »Ja, so ist's!« klang es traumhaft von den Lippen des Imperators. »Betet um Regen, ihr armselig-dummen Kolonen, wenn euch die Sonne den Boden zu Staub verdorrt! Jupiter kann's nicht gewähren. Der Cäsar aber, wenn' s ihm genehm ist, führt euch die claudische Leitung bis zum Soracte hinaus und bespült euch die Fluren mit olympischem Nektar. Jammert um Brot, wenn die alexandrinischen Kornschiffe ausbleiben, ihr kindischen Proletarier! Jupiter läßt euch verhungern, wenn nicht der Cäsar die unermeßlichen Speicher öffnet. Wäret ihr nicht vertiert bis zur Schwachsinnigkeit, ihr müßtet begreifen, daß mir die Altäre gebühren, mir der Weihrauch und der lodernde Opferbrand.«
    Er warf sich wie erschöpft auf das Lager.
    In diesem Augenblick drang ein kleiner, gelenkiger Mensch, den Kopf mit einem larvenartigen Leder umwunden, pfeilgeschwind ins Gemach. Er führte, den Arm fast im Kreise bewegend, nach dem Halse des Imperators einen sausenden Dolchstoß, der unzweifelhaft tödlich gewesen wäre, wenn er sein Ziel erreicht hätte. Die übermäßige Hast mochte indes dem jugendlichen Banditen die Sicherheit rauben. Der Stoß ging fehl und bohrte sich tief in das hartgepolsterte Unterkissen.
    Mit einem Schrei der Entrüstung war Nero emporgesprungen.
    Das also war die Unantastbarkeit seines Göttertums?
    Wie rasend stürzte er auf den Angreifer los, ihm das Handgelenk zu umspannen. Der Bursche aber war flink wie ein Iltis. Die Waffe zurücklassend, huschte er durch die Thüre. Als Nero ihm nach wollte, stieß er mit Tigellinus zusammen. Gleich danach erschienen die Kammersklaven.
    »Ihr Schufte!« herrschte Nero die Sklaven an. »Soll ich euch bei lebendigem Leibe zersägen lassen? Während ihr draußen im Winkel hockt und sauft oder Würfel spielt, laßt ihr's geschehen, daß euer Gebieter von Meuchelmördern bedroht wird!«
    Die Leute zuckten zusammen.
    »Das wolle Jupiter von dir abwenden!«
    »Jupiter! Was frommt mir Jupiter gegen die Dolche der Niedertracht! Wäret ihr zur Stelle gewesen, wie eure Pflicht es gebot, so hätte der Majestätsverbrecher seine Missethat überhaupt nicht versuchen können.«
    »Herr,« stammelte Cassius, »zweifle nicht, daß wir alle bereit sind, unser Herzblut für dich zu verspritzen! Aber die Kaiserin-Mutter hielt uns zurück. Sie wollte uns Aufträge geben – und muß dann vergessen haben, daß wir noch wartend unter den Säulen standen . . .«
    »Aufträge . . .« stammelte Tigellinus. Er bückte sich und hob den dreikantigen Dolch des Banditen vom Teppich auf. In seinen Gesichtszügen malte sich ein heftiger, fast theatralischer Schreck.
    »Cäsar, mein angebeteter Freund!« raunte er in höchster Verwirrung.
    Dann zu den Sklaven: »Geht! Heißt

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