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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Ufer, und behändigte jedem der Schiffsleute tausend Denare, dem Steuermann aber und der Gärtnerstochter je fünftausend.
    Ihren Hausgenossen verriet sie gleichfalls mit keiner Silbe, was vorgefallen. Dem Obersklaven, der sie befragte, weshalb sie allein komme, erteilte sie eine Antwort, die ihm die Lust benahm, weiter zu forschen.
    Sie genoß einige Bissen, trank eine Schale gewässerten Fruchtsaftes, und begab sich dann in ihr Cubiculum, wo sie nach kurzer Frist in einen todähnlichen Schlaf versank.
    Gegen Mittag wachte sie auf. Sie strich sich über die Stirne, als ob sie erst die Erinnerung an das Erlebte wieder zurückrufen müßte. Ein grimmiges Hohngelächter schrillte plötzlich von ihren Lippen.
    »Es ist wie im Brettspiel,« dachte sie, krampfhaft die Finger bewegend. »Wir stehen vor dem letzten entscheidenden Augenblick . . . Schon müßt' ich geschlagen sein: da wendet sich die Partie noch im Handumdrehen. Gerade der eine Zug, der mich verderben sollte, bringt mich in eine Stellung, die mich gewinnen läßt. Wartet, ihr Hunde, jetzt sollt ihr erfahren, was Agrippina vermag, wenn es um Leben und Tod geht! Mein vortrefflicher Burrus wird nun wohl endlich aus seiner Vertrauensseligkeit aufschrecken.«
    Sie ballte die Faust.
    »Bube!« raunte sie qualverzerrt. »Da ich den Claudius getötet – um deinetwillen –: beim Styx, ich bangte, ich fühlte etwas wie Reue . . . Und Claudius war ein Tropf, den ich haßte! Du aber . . . ist's denn im Leben nur auszudenken? Wenn es Götter gäbe, sie müßten dich foltern in alle Ewigkeit!«
    Heißer als jemals stürzten ihr die Thränen über das Antlitz. Dann ermannte sie sich.
    »Fluch über die Schwäche dieses erbärmlichen Mutterherzens!« dachte sie zähneknirschend. »Die halb schon Gemordete weint über den elenden Wegelagerer, statt ihn lächelnd zu züchtigen! Aber ich werde die Thränen mir abgewöhnen. Ich werde ihn treffen, – unabweislich, – sobald die Stunde gekommen ist.«
    Nun warf sie die Palla über, eilte ins Nebengemach und schrieb mit fester, markiger Hand, wie folgt:
    »Die Kaiserin Agrippina grüßt ihren herrschergewaltigen Sohn Claudius Nero.
    Die Götter sind neidisch, mein lieber Sohn! Wo sie das Glück in seiner vollendetsten Fülle gewahren, da senden sie die Kinder Latonas mit den tödlichen Pfeilen.
    Nero Cäsar, Deine Mutter fleht Dich um Rache an für einen fluchwürdigen Frevel. Du bist von Verrätern umringt, von ehrlosen Meuchlern, die mir, und vielleicht auch Dir, nach dem Leben trachten.
    Das Schiff, das der elende Anicetus Dir zum Geschenk gemacht, war eine Falle. Mitten im Golfe barst es entzwei, wie ein schlaugezimmertes Spielzeug, mit dem man die Kinder beim Feste der Saturnalien erschreckt. Ich, mitsamt meinen treuen Begleiterinnen, stürzte ins Meer. Nur durch ein Wunder bin ich dem Tode entronnen. Schütze mich, Nero! Oeffne die Augen, und strebe zu unterscheiden zwischen den wahren, erprobten Freunden und den selbstsuchtkranken, geld- und machtbegierigen Schurken, die den heiligen Namen der Freundschaft mißbrauchen, um Dich und das römische Staatswesen desto sicherer in den Abgrund zu stoßen!
    Meinen Hausgenossen hab' ich aus Scham verhehlt, was ich erdulden mußte. Die Schiffer dagegen, die mich gerettet haben, schienen zu ahnen, daß eine Missethat vorliegt. Die Kunde davon wird sich rasch über ganz Italien verbreiten. Sorge dafür, daß ihr die Botschaft von der Züchtigung der Verbrecher nicht allzusehr nachhinke!
    Trotz der entsetzlichen Aufregung dieser Schreckensnacht bin ich gesund.
    Du, so hoffe ich, auch.«
    Diesen Brief übergab sie einem alterprobten Colonen mit dem Befehl, ihn dem Kaiser persönlich zu überreichen, und sich durch keinerlei Schwierigkeiten, die sich allenfalls darböten, einschüchtern zu lassen.
    Nero, obgleich in seinem dichtverhangenen Cubiculum die tiefste Finsternis herrschte, war seit dem Weggang des Tigellinus doch nicht im stande gewesen, auch nur minutenlang Schlaf zu finden.
    ›Muttermörder!‹ klang es ihm unaufhörlich im Ohre. Bald war es die Stimme des unglückseligen Opfers, bald seine eigene, die er zu hören glaubte. Dazwischen brauste die Meerflut in turmhohen Wellen, und gräßliche Nachtgebilde, hagere Dämonen, die Züge verzerrt, hoben sich in blutbeträuften Gewändern lang und langsam aus dem gähnenden Wogenschlund. Er suchte sie zu verscheuchen; er rang; er kämpfte wie ein Verzweifelter. Alles umsonst. Neue todesbleiche Gesichter quollen aus

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