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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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jeder Schaumperle – viele Tausende, viele Millionen. Der ganze Weltraum war von ihnen erfüllt, ein unabsehbar-grausiges Chaos . . .
    Zuweilen, wenn dieser entsetzliche Zustand den äußersten Grad erreicht hatte, jenseits dessen nur noch der Wahnsinn lag, stieg aus all dem schauderhaften Getümmel die süße Blumengestalt Actes empor, schaute ihn bleich und vorwurfsvoll an und seufzte schmerzlich: ›Nero, mein Glück, mein Abgott, ach, wie anders hast du mir damals in die Augen geschaut, da deine Hände noch rein von Blut waren! Diese Hände haben mein Haar geliebkost, meine Wangen gestreichelt, mich wonnetrunken umklammert . . . Damals gab sich mein Herz dir zu eigen, wie das der Io dem Zeus. Jetzt aber – wehe mir! Nicht um alle Schätze der Welt möchte ich je deine Finger berühren!‹
    Er preßte sein glühendes Angesicht in die Kissen.
    Horch! War das nicht ein verzweifelter Hilferuf? Glänzte dort nicht die weiße Palla der Kaiserin? Jetzt, jetzt . . . o, wie zog das Bleigewicht sie hernieder –! Sie hob die Hände empor . . .
    ›Nero, mein Sohn!‹
    Dumpf gurgelnd schloß sich das Wasser über dem Haupt der Ertrinkenden . . .
    Die Sonne stieg höher und höher und goß ihr lebenspendendes Licht breiter und voller über die menschenwimmelnde Golfstadt. Drunten am Ufer, die herrliche Hafenstraße entlang, brauste das altgewohnte farbenprächtige Treiben. Hunderte von Singvögeln schmetterten in den Zweigen des Parks. Von der See her wehte ein erfrischender Wind, der eine Heerschar leuchtender Segel blähte. Kurz, es war ein Tag wie geschaffen zur irdischen Seligkeit. Der Kaiser nur, wie er jetzt heraustrat ins Peristyl, spürte nichts von der erlösenden Kraft des Lichts. Die Augen schmerzten ihm; das glühende Blut pochte ihm hart in den Stirnadern.
    So schritt er nur zweimal auf und ab, eilte dann in die Exedra, und warf sich dort auf die Bronzebank. Endlich sank ihm ein schwerer, unerquicklicher Schlaf über die Seele.
    Als der Botschafter Agrippinas die Villa betrat, war der Cäsar noch nicht erwacht. Cassius und die übrigen Kammersklaven weigerten sich, ihn zu stören. Schon machte der muskelstarke Colone Anstalten, kurzerhand vorzudringen, als Tigellinus des Wegs daher kam, und sich erkundigte, was hier vorgehe.
    »Herr,« gab ihm Cassius zurück, »ein Fremdling, der ein dringliches Schreiben für den Gebieter hat.«
    »Gib her!« sagte der Adjutant zu dem Sendling.
    »Unmöglich. Was ich hier bringe, ist nur für den Cäsar bestimmt.«
    »Ich will es ihm zustellen.«
    »Das verwehrt mir mein Auftraggeber.«
    »Wer ist der?«
    »Ein Freund des Erlauchten, der sich nicht nennen will. Hindere mich nicht! Der Kaiser würde dir grollen, wenn du mich länger aufhieltest.«
    Der Agrigentiner fühlte sich plötzlich von einem Unbehagen ergriffen, das unerklärlich schien.
    »Wohl!« sagte er gleichmütig. »Tritt in den Oecus hier! Ich eile, den Imperator zu wecken.«
    Der biedere Colone schritt hocherfreut über die Schwelle. Tigellinus jedoch gab den Sklaven ein Zeichen. Sie folgten dem Boten, warfen sich über ihn her, und rissen ihm den Brief aus der Tunica.
    Der Agrigentiner war jetzt gleichfalls in den Oecus getreten.
    »Schweig!« raunte er dem Colonen zu, da dieser zu lärmen begann. »Ich lass' dich zusammenhauen, wenn du noch mit der Lippe zuckst!«
    Er nahm das Schreiben und überflog es. Zwei Sekunden lang schien er nahezu fassungslos.
    Dann sagte er frostig: »Ihr knebelt mir diesen Burschen und schafft ihn unverzüglich in's Kellergewölbe! – Dort bewacht ihr ihn strengstens, bis ich euch Nachricht gebe! Sträubt er sich, so stoßt ihm einfach den Griffel ins Herz! Nicht du, Cassius! Der Kaiser würde dich bald vermissen. Ihr aber – gut! Packt ihn straff in die Mitte! So! Und nun: keine Silbe von all dem geredet! Auch nicht vor dem Cäsar! Wer nicht zu schweigen versteht, der stürze sich lieber sofort in den Fischteich: denn ich verspreche ihm eine schreckliche Todesart.«
    Nachdem dies erledigt war, eilte der Agrigentiner, von zwei Soldaten begleitet, zu Anicetus, und hielt ihm schweigend das Pergament unter die Augen.
    Der Flottenführer las und erbleichte.
    »Wähle!« sagte Sophonius Tigellinus auf griechisch. »Entweder fällst du nun selber als Opfer deiner pfiffigen Anzettelung – oder du wirst genötigt sein, das gestern mißglückte Werk noch heute auf bessere Manier zu vollenden.«
    »Verwünscht!« murmelte Anicetus. »Die Löwin hat doch ein zäheres

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