Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
Vom Netzwerk:
erlahmenden Kräfte im Born ihrer vertrauenden Liebe gestählt hatte, so schöpfte das tödlich verwundete Herz Agrippinas erneute Hartnäckigkeit aus dem Quell ihrer Rachsucht.
    Nachdem die Schandgesellen des Anicetus ihr Werk vollendet glaubten, bestiegen sie ein versteckt gewesenes Langboot, brachten die beiden noch unversehrten Teile der Jacht zum Sinken und kehrten, froh der gelungenen That, nach Bajä zurück.
    Der Morgen graute bereits, als sie ans Land stiegen.
    Anicetus war dreist genug, ungeachtet der günstigen Witterung die Mär zu verbreiten, Agrippina habe bei ihrer Rückfahrt nach Bauli Schiffbruch gelitten.
    Kein Mensch glaubte das. Jedermann aber gab sich den Anschein, als sei er fest davon überzeugt. Tigellinus hatte deutlich betont, daß der Golf seine Klippen habe. Die Jacht des Anicetus war vielleicht tiefer gegangen als die üblichen Prunkschiffe. Die Kauffahrteischiffe jedoch, die nach Puteoli kamen, hatten einen mehr nördlichen Kurs. Tigellinus verstand sich darauf, und da er ja neben der Einsicht die Macht besaß, so übte man keine unbequeme Kritik
    Nero, dem der Agrigentiner alsbald nach erfolgter Rückkehr der Seesoldaten vermeldete, was sich ereignet hatte, schien, so wenig er überrascht wurde, furchtbar erschüttert.
    »Du hast mich übel beraten,« hauchte er tonlos. »Ja, ja, ich weiß, was du sagen willst. Ich glaube dir's auch. Sie hat mir frevlerisch nach dem Leben getrachtet. Dennoch, dennoch . . . Ich hätte sie lieber verbannen sollen . . .«
    »Verbannen?« rief Tigellinus. »Herr, wie wenig kennst du die Eigenart solcher Verbrecherinnen! Turmhohe Wälle reichen nicht aus, ihre Bosheit unschädlich zu machen. Sie durchbrechen selbst die Quadern des mamertinischen Kerkers und die ewigen Felsengrüfte Sardiniens. Ich will ein Dankopfer zünden, wenn uns die Gräßliche nicht aus dem Totenreiche zurückkehrt, um neues Unheil zu säen!«
    »Sie
wird
zurückkehren!« sagte der Kaiser schaudernd. »Ich sehe sie schon, wie sie allnächtlich zu meinem Lager tritt, ein blasses Gespenst; wie sie mir jammernd die Brüste zeigt, aus denen ich Leben trank; wie sie mich keuchend erwürgt . . !«
    »Fasse dich!« sagte der Adjutant. »Soll ich's zum hundertstenmal wiederholen? Sie hat das nur erlitten, was ihr gebührte. Nicht den Sohn allein wollte sie töten, sondern den Cäsar. Der Sohn hätte verzeihen können: der Cäsar durfte dies nicht.«
    Nero schüttelte sich.
    »Es läuft mir kalt über den Rücken,« stöhnte er zitternd. »Ich habe kein Wort dafür, was ich empfinde, – aber ich leide unsäglich!«
    »Denke an Brutus! Wie oft, Vielteurer, hab' ich auch diesen Namen dir angerufen! Die Söhne des Brutus hatten sich lediglich wider den Staat versündigt; das
Leben
ihres Erzeugers war ihnen heilig. Trotzdem zögerte Brutus keine Sekunde lang. Er sprach voll heroischer Würde das Todesurteil. Er verleugnete, was zehntausendmal heißer lodert, als alle Kindesliebe der Welt: die Vaterliebe! Nein, Claudius Nero: was du geschehen ließest, war lobenswert und gerecht, – und die Nachwelt wird dir um dieser That willen den Kranz ebensowenig vorenthalten, wie dem ehernen Konsul.«
    »Muttermörder wird sie mich nennen!« ächzte Nero verzweifelt.
    »Wenn du mich liebst, so beherrsche dich! Deine Nerven sind krankhaft erregt. Geh schlafen, Cäsar! Noch ist's nicht vollständig Tag. Du benötigst der Ruhe.«
    »Ich kann nicht schlafen. Hunderttausend Gedanken rasen mir durchs Gehirn, – alte, längst verblaßte Erinnerungen . . . O, ihr Tage meiner frühesten Kindheit! Da ich zu ihren Füßen noch spielte, wie war ich glücklich! Wie frei und rein fühlte sich dieses Herz! Sie schaute sinnend auf mich herab; ihre Züge wurden so mild, so klar: ich fühlte, daß ich geliebt wurde . . .«
    »Herr, ich beschwöre dich . . .«
    »Einmal . . . ich entsinne mich noch . . .« fuhr Nero fort, – »es war im Dezember, kurz vor dem Feste der Saturnalien . . . Der Tag neigte sich. Wir saßen im Oecus, während der Vater mit seinen Freunden zu Tische lag. Sie nahm mich auf ihren Schoß. ›Du sollst mir einst Ehre machen,‹ sagte sie nachdenklich. – Auf dem Tischchen neben der Mauerblende lag ein Lorbeerstrauß, den ich gepflückt hatte. Sie nahm die Zweige und flocht mir eine Krone davon. Dann lächelte sie und nannte mich ihren Liebling, ihren König und Gott. Und sie küßte mich . . .«
    Von wühlender Reue bewältigt, warf Nero sich auf das Ruhebett und barg

Weitere Kostenlose Bücher