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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Kaiserin-Mutter gerade jetzt Entscheidendes leisten! Was konnte sie wirken, schaffen, stürzen, vernichten! Fort mit dem öden Gesindel, das Rom zur Taberne entwürdigte! Fort mit dem Gaukler aus Agrigent und seinem saft- und kraftlosen Anhang! Ordnung sollte geschafft werden in dem Staat des Augustus, Ordnung um jeden Preis! Die Parther sollten sich ducken, wie die Hunde sich ducken beim Wutgebrülle des Löwen! Die Deutschen droben am Ufer der Logana wollte sie ein für allemal niedertreten, um dem ewigen Streit zwischen hüben und drüben ein glorreiches Ende zu machen. – Die den Varus geschlagen, die dem großen Augustus Thränen des Grams entlockt, die furchtbare blondlockige Riesin Germania –: sie sollte erzittern und in den Staub sinken vor Agrippina, der römischen Kaiserin!
    Schlaftrunken sank ihr Haupt in das Polster zurück. Rosige Genien, die Siegeskrone der Triumphatoren schwingend, quollen in unerschöpflicher Fülle vor ihr empor, – eine dichte, endlose, phantastische Wolke. Sie schloß die Augen. Ein wonniger Hauch streifte ihren halblächelnden Mund, wie vom Kusse eines unsterblichen Gottes . . .
    Da mit einemmal erscholl ein furchtbares Krachen, ein Prasseln, ein wildes, gelles, mark- und bein-durchdringendes Angstgeschrei. Das Fahrzeug des Anicetus hatte sich wie von selbst in drei Teile zerlegt, von denen der mittlere, wo der Baldachin stand, bleischwer hinabstürzte.
    Ehe noch Agrippina völlig erwacht war, hörte sie rechts und links das dunkle Gewässer gurgeln. Die salzige Flut drang ihr in Mund und Nase; fast entschwand ihr schon die Besinnung.
    Endlich tauchte sie wieder empor. Sie hörte die Hilferufe der jungen Sklavinnen, die qualerfüllt um ihr Leben rangen; sie hörte die Jammertöne der schreienden Acerronia.
    Das Herz der Kaiserin krampfte in unendlichem Weh. Nicht die Todesangst schnürte ihr so mitleidslos die Kehle zusammen, sondern die fürchterliche Erkenntnis der Wahrheit. Lautlos ergriff sie einen der korinthischen Holzpfeiler, der sich vom Baldachin abgelöst hatte und kreisend im Strudel schwamm.
    »Weh mir, die geschlossenen Augen des Anicetus!« wimmerte Acerronia, ihrer jüngst so rosig ausgelegten Vision gedenkend.
    Mit der Kraft der Verzweiflung schwamm sie auf das größere der beiden flott gebliebenen Schiffsteile zu.
    Der Mond verbarg sich hinter den Wolken. Ein seltsames Aschgrau spannte den unheimlich-düstern Schleier über die Schreckensscene.
    »Rettet mich!« schrillte es schauerlich von den Lippen der Cordubanerin. Sie hatte eine der niederhängenden Stangen umklammert. Und nochmals: »Rettet mich!«
    Da niemand sich um sie kümmerte, fügte sie kreischend hinzu: »Ich bin die Mutter des Imperators!«
    Kaum waren ihr diese verhängnisvollen Worte entflohen, als ein Hagel von Ruderschlägen ihr von rechts und links über den triefenden Kopf sauste.
    Mit zertrümmertem Schädel sank die einst so lebenslustige Acerronia blutend ins Bodenlose. Fast in derselben Minute sanken auch sämtliche Sklavinnen.
    Nur die Kaiserin Agrippina, von dem schwimmenden Pfeiler gegen die Blicke der Meuchelmörder geborgen, trieb langsam in der Richtung des offenen Meeres.
    »Acte,« murmelte ihr verzerrter Mund, »kommst du, um Rache zu nehmen?«
    Die Todesqual des blühenden jungen Mädchens, das ihrer Meinung zufolge kläglich ertrunken war, trat ihr mit zerknirschender Greifbarkeit vor die Seele. Ja, das ewig gerechte Schicksal vergalt ihr nun buchstäblich das Gleiche mit Gleichem. Sie hatte das schauerliche Gefühl, als ob eine Geisterhand aus der Tiefe nach ihrer Gewandung fasse. Eine widerspruchsvolle Reue glomm in ihr auf. Diese Freigelassene – trotz allem – war ihr sympathisch gewesen, sympathisch von der ersten Minute an. Agrippina hatte gegen ihr eigenes Empfinden gehandelt, da sie den Haß und den Verfolgungsgrimm in sich groß zog . . . Ach, und er, der Fluchbeladene, der zweite Orestes, – stammte sein erster Groll gegen die einst so zärtlich geliebte Mutter nicht aus dem Kampf um die eine, die er sein Glück nannte?
    Wie jäh aufloderndes Wetterleuchten zuckten ihr diese Gedanken durchs Hirn. Dann ward es tiefdunkle Nacht in ihrem Gemüt. Sie schwankte, ob sie der grausigen Qual nicht ein Ende machen, den Pfeiler loslassen, und, eine letzte Verwünschung wider den Mordbuben auf den sterbenden Lippen, hinabtauchen sollte in den purpurnen Abgrund. Eines jedoch hieß sie ausharren: die tobende Gier, den Missethäter zu züchtigen. Wie Acte einst die

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