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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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die Hand am Schwerte. Er verbiß seinen Aerger. »Wenn dir das Herz denn daran hängt, so trabe meinetwegen mit durch die Gluthitze! Aber neugierig wäre ich doch, zu erfahren, was dich so närrisch macht. Wenn du nach Blut verlangst, besuche doch die Arena!«
    »Nicht nach Blut verlang' ich, sondern nach
ihrem
Blut.«
    »Aber weshalb?«
    »Das ist meine Sache.«
    Das bleiche Mädchen schien so erregt, daß Anicetus für gut fand, sie weiter nicht zu beachten. Sie zog sich bescheidentlich hinter die Mannschaft zurück, und vorwärts ging nun der Eilmarsch nach der Villa von Bauli.
    Hasdra, die Zierliche, Zarte, schien unermüdlich. Keiner der Seesoldaten übertraf sie an Raschheit und Ausdauer, keiner an schweigsamer Spannung. Sie trank nicht einmal, obschon ihr die Zunge bleiern am Gaumen klebte. Es war, als habe sie dem allrächenden Gott ihrer Heimat gelobt, nicht eher die Qual ihres Durstes zu stillen, bis ihr der Born einer höheren Labe entgegengesprudelt sei aus den geöffneten Adern ihrer tödlich gehaßten Feindin.
    In der That, die kleine Phönicierin regte unmerklich die Lippen, wie im Gebet.
    »Melkarth, Unfaßbarer,« mochte es wild durch ihre verzweifelte Seele ziehn, »gönn mir das eine noch! Schrecklicher, dessen Schemel die Erdscheibe, dessen Odem der sandaufwirbelnde Sturm ist, laß mich, o laß mich teilhaben an dem Werk dieser Rache! Mein verwundetes Herz schreit zu dir auf; mein Gebein ist zerschlagen: ich bin ein verwüstetes Land, seit er mir dahingegangen. Du selber hast's ja geboten: ›Duldet nicht wie die Hunde, die sich treten lassen vom Uebermut ihrer Peiniger!‹ Du selber hast uns gemahnt: ›Zwei Augen für eines und das Leben für beide!‹ Melkarth, geherrlicht in Zor, in Berytus und Sidon, Zertrümmerer der Lüge, Beschützer des Rechts und der Treue, verlaß mich nicht!«
    So schritt sie einher, das Auge fest auf den Boden geheftet, einer Verzückten gleich, die ganz und gar vom Glanze ihrer Vision erfüllt ist.
    In der vierten Nachmittagsstunde war man am Ziele.
    Anicetus ließ das Landhaus umzingeln. Dann warf er sich mit den kräftigsten seiner Leute aufs Ostium. Die wenigen Prätorianer, die hier die Wache hielten, waren bald niedergemacht. Keinen verschonte man.
    Gleich danach rauschte es auf den Fliesen von dem gefalteten Saum einer Palla. Stolzen Schrittes trat Agrippina ins Atrium. Sie wußte sofort, daß ihre Stunde gekommen war. Der Anblick, der sich ihr darbot, war ja mehr als beredt. Anicetus mit seinem breit-sinnlichen Galgengesicht allein hätte genügt.
    Nun zeigte es sich, daß dieses fürstliche Weib, trotz aller Ausschweifungen, aller Verbrechen, die ihr zur Last fielen, mehr von jenem halbvergessenen Heroismus der alten Republikaner besaß, als die meisten ihrer männlichen Zeitgenossen.
    In ihren Augen flammte es trotzig auf.
    »Was wollt ihr?« frug sie mit fester Stimme.
    »Dich, elende Vettel!« schrie ein brutaler Kelte, rasch auf sie zuspringend. Er versetzte ihr mit dem Stock einen heftigen Schlag gegen die Stirne.
    Die Kaiserin taumelte. Ein leises Stöhnen rang sich von ihren Lippen. Dann, mit königlicher Gebärde ihren Busen entblößend, sagte sie voll unsäglicher Bitternis: »Verschont mir das Haupt: seine Gedanken haben allzeit der Größe Roms gegolten! Aber dies Herz durchbohrt mir: – unter dem Herzen trug ich den Muttermörder!«
    Anicetus, trotz der Niedrigkeit seiner Gesinnung heimlich erschüttert, wehrte den Seesoldaten, die in Masse auf sie hereinstürzen wollten, ärgerlich ab.
    Flüsternd wandte er sich zu dem blonden, riesenhaften Gesellen, der ihm zunächst stand: »Gelo, gib ihr den Rest! Aber fehle sie nicht!«
    Der Soldat zückte sein Schwert.
    Inzwischen hatte die bleiche, zitternde Hasdra sich unbemerkt in die Säulenhalle geschlichen, um Agrippina von rückwärts zu packen. Wie eine rasende Wölfin sprang sie an der Unglücklichen empor und schlug ihr die spitzigen Zähne tief ins Genick, während die zuckenden Hände sich wie giftige Krallen in Agrippinas blühende Kehle vergruben.
    »Nimm das für deinen Verrat,« hatte die tolle Phönicierin aufgezischt, als sie ihr Opfer anfiel. »Ich bin Hasdra, die Verlobte des Pharax.«
    Eine Sekunde lang hatte die Fürstin bei diesem Anprall gestrauchelt. Dann faßte sie mit der Rechten, während die Linke noch immer den Busen entblößt hielt, die Finger der Wutentbrannten und drückte sie, daß sie zerbrachen.
    In dem nämlichen Augenblick stürzte die Hünengestalt des Kelten auf

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