Nero
und ohne Falsch du bist, und wie heiß du ihn anbetest! Ach, ich möchte ja wie im Sturm zu ihm hineilen, seine Kniee umfassen, und jubelnd ihm zurufen: ›Siehe, Octavia allein von allen Frauen der Erde ist würdig, dein Los zu teilen!‹ Aber das geht ja nicht; das hieße die Göttliche, Reine schmählich entweihen: denn ich selbst ja bin eine Frevlerin am Glücke Octavias – nicht minder, als jene Poppäa, die nur den Haß und die Herrschbegierde vor mir voraus hat.«
»Schweig! Du hast ja ehrlich bereut!« sagte Octavia. »Was auch hätte ich
dir
zu verzeihen? Daß du ihn hinnahmst, als er sich liebeglühend dir darbot? Oder willst du behaupten, du hättest ihm Netze gestellt, wie Poppäa Sabina?«
Die junge Fürstin stützte den Kopf in die Hand.
»Blondes Mädchen,« begann sie nach einer Weile, »es ist ein schweres Bekenntnis – aber ich muß es aussprechen. Ich beneide dich, Acte!«
»Du zermalmst, du vernichtest mich! Sünde war's und Verrat, – kein Glück! Ach, das wahre Glück beruht in der Tugend, die ich so schmählich mit Füßen getreten! Du, die Heilige, solltest den Wunsch nähren, mit der Verworfenen zu tauschen? Welch ein Wahnsinn!«
»Ich beneide dich!« wiederholte Octavia.
»Also liebst du ihn noch!« rief die Freigelassene triumphierend. »Noch vor zehn Minuten erklärtest du ›Nein!‹ Aber ich seh's nun, du liebst ihn noch, trotz seiner Treulosigkeit, trotz der entsetzlichen Undinge, die das Gerücht uns zu Ohren trägt . . .«
»Schone mich! Das alles stößt mir das Herz ab. Ich vergehe vor Scham. Dennoch – es scheint, daß die Liebe unsterblich ist.«
Nach langem Sinnen hub die Freigelassene wiederum an: »Herrin, gestattest du eine Frage, die ich jetzt Tag für Tag mit Gewalt unterdrücke?«
»Sprich!«
»Was hast du dieser Poppäa auf ihre schmachvolle Zuschrift geantwortet?«
»Nichts.«
»Also gedenkst du . . .«
»Ruhig festzuhalten an meinem Rechte. Sieh, Mädchen, so bleibt mir doch immer noch eins! Wenn er sich ausgetobt, wenn er der sinnlosen Orgien im Kreis dieser widerlichen Gesellschaft müde ist, so überkommt's ihn vielleicht urplötzlich wie grausende Einsamkeit; er sehnt sich nach einem ehrlichen Herzen, an dem er ausruhen kann. Dann, gute Ismene, will ich befugt sein, ihm eine stille, freundliche Zuflucht zu bieten. Folg' ich dagegen aus Feigheit oder Erschöpfung dem Vorschlag seiner Geliebten, willige ich in die Scheidung, so ist alles verloren, alles! Poppäa wird vor den Menschen und Göttern seine Gemahlin, und wenn er nun aus dem thörichten Traume erwacht, so bleibt ihm nur die Verzweiflung.«
Acte erhob sich. Die Thränen standen ihr in den Augen.
»Wie glühend,« sprach sie, »wie sehnsuchtsvoll will ich beten, daß sich dir alles zum Heil wende!«
»Gutes Geschöpf!« sagte Octavia lächelnd. »Ach, und ich weiß doch, daß du . . . nicht ganz ohne Kampf betest.«
Acte errötete.
»Herrin, du irrst,« hauchte sie schamhaft. »Glaube mir doch: freudlos denk' ich an jene Tage zurück, wie Paulus, unser teurer Apostel, an die Thorheit des Saulus.«
»Weshalb weinst du dann aber? Setz' dich nur wieder hierher und erzähl' mir ein weiteres von diesem göttlichen Manne . . . Schon gestern erwähntest du, daß er in Rom sei.«
Acte trocknete ihre Augen und Wangen. Auf dem süßen, rosigen Antlitz brannte die helle Glut der Begeisterung.
»Von Abyssus hab' ich's gehört,« sagte sie, auf die Rasenböschung sich niederlassend. »Um die Kalenden etwa ist Paulus dort eingetroffen. Im Lande Judäa hatten die Priester und Schriftgelehrten ihn angeklagt. Felix, der Prokurator, wollte ihn vor Gericht stellen. Paulus jedoch legte Verwahrung ein. ›Ich bin römischer Bürger,‹ sprach er, ›und verlange mein Recht vor dem Kaiser.‹ Da hat ihn Felix unter Bedeckung nach Rom geschickt. Eh' es jedoch zum Prozeß kam, ward er in Freiheit gesetzt. Tigellinus, der die jüdischen Priester um deswillen haßt, weil Poppäa sie eifrig begünstigt, soll den Kaiser dazu bestimmt haben. Eher noch glaub' ich, daß man dem großen Apostel nichts vorwerfen konnte. Nun weilt er im Herzen des Weltreichs, verkündet die Lehre des Nazareners und spendet den Mühseligen und Beladenen den Gottesfrieden, der da höher ist, als alle Vernunft.«
»Ich möchte den Mann wohl hören,« sagte Octavia. »Unbegreiflich zwar erschien mir so vieles, was du von dem gekreuzigten Jesus berichtet hast. Seine Liebe aber und seine Kraft im Erdulden hat mich ergriffen. Er ist
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