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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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die zaghaften Blicke auf das Kleinod gerichtet, das sie am Finger trug. Sie meinte zu träumen. Ein Ring mit dem Insiegel des römischen Imperators, von dem Allgewaltigen selber gespendet, an ihrer Hand! Klang das nicht wie ein Märchen aus der pelasgischen Urzeit? Damals stiegen die Uranionen, vom Lichte des Aethers umflossen, zu den Töchtern der Menschen herab und legten den Hirtenmädchen des Oeta die himmlischen Donnerkeile zu Füßen. Aber hier, in dem wirklichen, wahrhaftigen Rom, das von dem gar nicht märchenhaften Schwerter- und Lanzengeklirre der Prätorianer erdröhnte, hier am Tibergestade, wo alles so neu, so frisch, so lebendig ins Dasein blickte – es war unfaßlich!
    Ihr Blick schweifte hinüber nach der gewaltigen Zweimillionenstadt . . . Ein rötlicher Dunst lagerte, trotz des klaren Oktobertages, breit über dem südlichen Horizont. Fernab ragten die sonnbestrahlten Tempel des Kapitols, rechts davon das hochgetürmte Palatium, der Herrschersitz des blühenden Jünglings, der über dies ganze unabsehbare Häusermeer, über Italien, über den Erdkreis das Scepter hielt, und doch mit ihr, der Niedriggeborenen, so warm, so liebevoll, so ganz über alle Beschreibung traulich gesprochen hatte . . .
    Sie seufzte.
    »Wär' er doch einer von den elenden Sklaven, die dort mühsam die Steine zum Ausbau der Halle schleppen!« dachte sie traurig. »Alles, was ich besitze, wollte ich geben, ihn loszukaufen, – jahrelang wollte ich schaffen und arbeiten, damit ich's zusammenbrächte, was etwa fehlte, – und dann . . .«
    Sie schloß die Augen.
    Da plötzlich hörte sie eine Stimme, die sanft ihren Namen rief.
    Emporschauend, gewahrte sie einen etwa vierzigjährigen Mann in vornehmer Tracht. Die blitzenden grauen Augen mühten sich offenbar, liebenswürdig und verbindlich zu scheinen.
    »Acte,« sprach er, »du wandelst allein, wie die trauernde Demeter. Darf dir ein neugewonnener Freund seine Begleitung anbieten?«
    »Herr, ich kenne dich nicht.«
    »Diesem Uebelstande ist mit Leichtigkeit abzuhelfen. Mein Name wird dir, so denk' ich mir, weniger fremd sein, als meine Züge. Ich bin Pallas, der Vertraute der Kaiserin.«
    »Pallas!« rief sie erschreckt, als habe sie kein gutes Gewissen. »Der Name ist allerdings gekannt und – gefürchtet.«
    »Nur derjenige hat mich zu fürchten, der meiner Gebieterin die schuldige Ehrerbietung versagt, ihr weisheitsvolles Wirken mißachtet, ihre glorreichen Pläne zu kreuzen strebt, oder sich sonst wider die göttliche Majestät versündigt. Durch die Gunst Agrippinas bin ich das, was ich bin: Dankbarkeit aber und Treue sind die vornehmsten Tugenden.«
    Acte sah, wie in tiefe Gedanken versunken, auf das Kleinod des Imperators. Dann plötzlich das duftige Blondhaar aus ihrer Stirne streichend, fragte sie beinahe keck: »Woher kennst du mich, und was willst du von mir?«
    »Ich sah dich neulich, als der Cäsar den Freigelassenen des Flavius Scevinus begnadigte. Ich befand mich an der Spitze der kaiserlichen Gefolgschaft.«
    »So? Ich bemerkte dich nicht.«
    »Wenig schmeichelhaft. Aber du warst so völlig in Anspruch genommen, daß ich geneigt bin, diese Vernachlässigung zu entschuldigen. Vielleicht reizte mich gerade dein blumenhaftes Versenktsein in die Forderungen des Augenblicks. Du schienst mir wie ein lieblicher Ruhepunkt inmitten der ewig hastenden Weltstadt. Mit einem Wort: du entzücktest mich . . .«
    »Weshalb sagtest du mir das?«
    »Seltsame Frage! Weshalb sagt man der Amphora, daß man dürstet? Ich liebe dich, Acte, und flehe zu allen Göttern, sie möchten dein Herz mir geneigt stimmen.«
    »Da wirst du umsonst stehen,« fuhr das Mädchen heraus. »Ich kann nicht lieben. Ich habe nicht Sinn noch Seele für solche Thorheit.«
    »Nennst du Thorheit, was die wonnigste, ja, die einzige Blüte des Lebens ist? Acte, Acte, was sprichst du da? Du nicht lieben . . .? Du mit deinen sehnsüchtig verschwimmenden Augen, mit deinen süßschwellenden Lippen, die wie ein immerwährender Kuß in die Welt lächeln? Täusche du einen Dümmern!«
    »Ich kann nicht lieben,« wiederholte sie traurig. »Und wenn ich's könnte – meinst du, ich würde mich wegwerfen?«
    »Wegwerfen? Ist denn die Liebe des Pallas so entehrend und schmachvoll?«
    »Für hundert andre gewiß nicht. Glaub' mir, ich kenne die Welt und ihre Gebrechen trotz meiner Jugend! Ich weiß, wie Rom von uns freigelassenen Mädchen zu denken pflegt, wie unser Name fast gleichbedeutend geworden ist

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