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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Wimper.
    »Sie ist unschuldig,« war das einzige, was man aus ihm herausbrachte.
    Tigellinus, durch die Tapferkeit des begeisterten Nazareners gereizt, wollte die Folter verschärfen, und ihm die qualvoll gezerrten Glieder, beim Fuße anfangend, mit dem eisernen Klöppel zerschlagen lassen.
    Thrasea Pätus aber widersetzte sich dem.
    »Wie?« sprach er mit herzbewegender Leidenschaft, »ihr bewundert den Regulus, weil er den Glutstrahlen der afrikanischen Sonne getrotzt hat, und den liederverherrlichten Mucius, der lächelnd die Hand im Feuer verkohlen ließ: hier aber wollt ihr so viel Standhaftigkeit mit dem Tode bestrafen? Seid ihr noch Römer, oder wird uns Judäa seine Lehrmeister schicken müssen, um uns begreiflich zu machen, was Ehrgefühl ist und göttlicher Mannesmut?«
    Das alte Zauberwort von der römischen Heldengröße that seine Wirkung. Drei Senatoren aus den Reihen der sonst so gefügigen Majorität ersuchten in aller Ehrerbietung den ›einsichtsvollen, gütigen‹ Tigellinus, von einer weiteren Vernehmung des ehemaligen Sklaven absehen zu wollen.
    So ward der unerschütterte Athenäus denn losgegeben.
    Mit ähnlicher Hartnäckigkeit wiesen zwei Drittel der Zeugen die schamlose Anklage als Verleumdung zurück; – heldenmütig wie Mucius Scävola, treu wie Regulus. Es schien, als sei der altrömische Heroismus, der im Senate nur noch ein halbes Dutzend echter Vertreter hatte, in die Herzen dieser Geringen und Glanzlosen eingekehrt, um die entartete Menschheit nicht an sich selbst verzweifeln zu lassen. Die wenigen Hausgenossen Octavias, die den Schmerzen erlagen, und sich dem Ankläger willig erzeigten, kamen hier kaum in Betracht.
    Tigellinus kochte vor Wut, obwohl er dem Senat gegenüber sich völlig den Anschein gab, als ob er die Angeklagte für zweifellos überführt erachte.
    Die letzte, die man zur Folter schleppte, war die strenge Rabonia; denn auch die Frauen und Mädchen wurden von dieser schauderhaften Justizgepflogenheit nicht verschont.
    Da Rabonia für Octavias nächste Vertraute galt, und ihr Zeugnis so am entscheidendsten ins Gewicht fiel, hatte der Agrigentiner sie für den Schluß aufgespart, und den Knechten bedeutet, sie möchten ihr gleich von vornherein tüchtig zusetzen.
    Aber auch die getreue Rabonia war sich über die große Verantwortlichkeit, die auf ihr lastete, klar, und so beschloß sie, lieber zu sterben, ehe sie ihrer Gebieterin auch nur den leisesten Makel anhaften ließe. Alle Fragen des Tigellinus beantwortete sie mit einem trotzigen ›Nein, du Schurke!‹
    Immer heftiger spannten die Folterer das entsetzliche Marterbett. Der rechte Arm der Unglücklichen zerriß. Ohnmächtig sank ihr das leichenfarbige Haupt auf die Seite. Als ihr jedoch das Bewußtsein zurückkehrte, und Tigellinus ihr zitternden Mundes die Worte zurief: »Wirst du nun endlich bekennen?« – da versetzte sie ihr unerbittliches ›Nein, du Schurke!‹ ganz mit der gleichen Furchtlosigkeit wie zuvor.
    »Hinweg mit der Kupplerin!« zischte der Agrigentiner, uneingedenk seiner sonst so hocharistokratischen Haltung.
    »In meine Wohnung, falls es gestattet ist!« rief der Stoiker Thrasea. »Meine Aerzte sollen mir die Zermarterte pflegen, denn ich bewundere diese heldenhafte Person. Ja, ich bewundere sie, ihr versammelten Väter, wenn ich auch zugebe, daß sie gegen den hochwürdigen Adjutanten des Imperators nicht gerade sehr höflich gewesen.«
    Der Agrigentiner widersetzte sich nicht.
    Nachdem die Schreckensscenen dieser ekelerregenden Untersuchung beendigt waren, erhoben sich die Verteidiger.
    Zuerst Barea Soranus, dann Thrasea Pätus.
    Beide beschränkten sich auf die Betonung der Thatsache, daß niemand, absolut niemand in der erlauchten Versammlung an die Schuld der Octavia glaube.
    »Bei allen Göttern!« – so schloß die kurze Rede des Thrasea – »der Prozeß hat die unantastbare Tugend der Kaiserin nicht erst beweisen müssen. Sollte jedoch, aller Vernunft zum Trotz, irgend jemand Zweifel gehegt haben an der Hoheit ihrer Gesinnung, an der Unsträflichkeit ihres Wandels, an der unbefleckten Reinheit ihres Gemüts, so hat die Zeugenvernehmung erhärtet, daß dieser Zweifel eine Lästerung war. Tigellinus, im löblichen Eifer, seinem Herrn und Kaiser zu dienen, ist augenscheinlich zu weit gegangen. Er hat auf die Zuträgereien schnöder Spione und giftsprühender Angeber ein größeres Gewicht gelegt, als er gedurft hätte. Er wird sich nun überzeugt haben, daß man ihn schmählich

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