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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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belogen hat. Glorreicher ist niemals ein Angeklagter aus einer Gerichtsverhandlung hervorgegangen, als Octavia, die Schwester des edlen Britannicus. Neuer, erhöhter Glanz leuchtet um ihr ambrosisches Haupt. Bis dahin ist sie die holdeste Fürstin, das beste, vollendetste Weib gewesen: jetzt steht sie vor uns wie eine Unsterbliche. Versammelte Väter, bittet um ihre Gnade!«
    In der That, nicht einer unter den Senatoren glaubte an ihre Schuld, aber ein jeder wußte, was die Komödie bedeuten sollte. Der Kaiser, oder zum wenigsten Poppäa Sabina und der allmächtige Tigellinus wünschten das Band der Ehe zwischen Octavia und Nero gelöst zu sehen. Diese Erkenntnis genügte für eine Körperschaft, die seit Jahrzehnten bereits mehr an die Sicherung ihrer persönlichen Vorteile als an die Wahrung des Rechts und der öffentlichen Moral dachte.
    So wurde denn, aller vernünftigen Einsicht zum Trotz, mit erdrückender Mehrheit der Ehebruch für erwiesen erklärt, die Scheidung ausgesprochen, der Aegypter Abyssus zum Tode, und die Kaiserin zur Verbannung verurteilt. Das Landhaus zu Antium sollte ihr Kerker werden auf Lebenszeit. Damit sie jedoch ihre schändlichen Ausschweifungen nicht fortsetze, würden ihr die Censoren eine besondere sittenpolizeiliche Wache bestellen, deren Anordnungen sie unweigerlich zu gehorchen habe.
    Im tiefsten Innern gebrochen hörte die unglückliche Fürstin diesen entsetzlichen Richterspruch an, – leblos, unfähig, nur eine Thräne zu weinen.
    Da schritt Thrasea Pätus feierlich auf sie zu, neigte sein Haupt und küßte voll Ehrerbietung den Saum ihrer Palla.
    »Nochmals,« sprach er mit schmerzlich bewegter Stimme, »ich bitte um deine Erlaubnis, dir meine Tochter zu senden. Möchte sie einst dir ähnlich werden, – und sollte sie diese Aehnlichkeit mit noch größerem Elend bezahlen müssen, als du erduldest!«
    Octavia konnte nicht sprechen. Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu, der ihm tief in die Seele drang.
    Gleich darauf wurde sie von den Prätorianern hinweggeführt. Der Wagen, der sie nach Antium bringen sollte, stand schon bereit.
    »Sei nicht allzu verwegen!« raunte eine haßbebende Stimme dicht hinter Thrasea Pätus.
    Der Stoiker blickte sich um. Es war Cossuthianus, den er vor Jahren im Auftrage der Kilikier der Unterschlagung bezichtigt hatte.
    »Ich verstehe dich,« lächelte Thrasea, »aber ich fürchte dich nicht; weder dich noch deine Verwandten, die damals für dein Verbrechen die Gnade des Imperators erwirkten. Es gibt Frevelthaten, die aus jeglichem Straßenstein wutsprühende Fechter für das mißhandelte Recht erwecken. Ihr seid ja schlau wie die Geier: diese Verurteilung aber war ein thörichter Knabenstreich. Denkt an mich, dafern er euch etwa übel bekommen sollte!«
     

Fünftes Kapitel
     
    Die Ahnung des Thrasea schien sich an dem nämlichen Tage noch zu bewahrheiten. Der schmähliche Ausgang dieses unerhörten Prozesses wirkte auf die Bevölkerung wie ein Faustschlag, der jedem einzelnen breit im Gesicht brannte.
    Octavia verurteilt!
    Das war zu viel! Das römische Volk, das allen übrigen Ausschreitungen des Hofes stillschweigend zugeschaut, raffte sich wie in plötzlicher Verabredung auf, um seiner Entrüstung Ausdruck zu leihen über die ehrlos-feige Verunglimpfung dieser lieblichen, hochgemuteten Dulderin.
    Für Augenblicke konnte man glauben, das seien die Zeitgenossen der unglücklichen Virginia, die sich jetzt allenthalben zusammenrotteten, Flüche ausstießen, Klagen und Drohungen, und schließlich mit der zermalmenden Einmütigkeit längst vorbereiteter Insurrektionen die Losung erschallen ließen: »Es lebe Octavia! Nieder mit Poppäa Sabina, der Buhlerin!«
    Insbesondere war es das weibliche Rom, das für diese ungeplante stürmische Rebellion die treibende Ursache abgab.
    Von den letzten Schifferhütten am Hange des Aventin bis hinaus nach den Villen des Gartenbergs und der milvischen Brücke – überall gewahrte man Frauen als Mittelpunkte bewegter Gruppen, Frauen im Gewande der Kleinbürger, leidenschaftlich und herb in ihrer wilden Beredsamkeit, aber auch vornehme Damen in schneeig flutender Palla, das grellrote Flammeum über den kunstvoll geschürzten Haaren, würdevoll, anmutig in jeder Bewegung. Die Gemahlin des jämmerlichen Senators legte Protest ein wider das lügenhafte Verdikt ihres Gatten; das Weib des verachteten Henkersklaven wider die Missethaten der Folterer. – Und so gestachelt von all den hunderttausend Stimme der Frauen,

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