Nero
Treue zweifelt. Unmöglich! Geh und sage ihm das!«
»Du hast nicht weise gewählt. Hättest du ruhig bekannt, was nun der öffentliche Prozeß dir schmachvoll beweisen wird – beim Herkules, du wärest besser gefahren! Die hohe Körperschaft hätte die Scheidung verfügt: du selber jedoch wärest vom Kaiser begnadigt worden. So aber . . . Nun, du wirst sehen . . .«
»Ich sehe nur eins: daß die Schurkerei vielleicht mächtiger ist als die Tugend.«
»Redensarten! Ich befehle dir jetzt im Namen des Imperators: rufe mir sämtliche freigeborene oder befreite Insassen deiner Villa ins Peristylium. Die Sklaven können, dem Gesetze zufolge, nicht wider dich Zeugnis ablegen.«
»Du befiehlst mir?«
»Kraft meines Auftrags.«
»Und ich weigere dir den Gehorsam.«
»Meinetwegen!« lachte der Agrigentiner. »So gehe ich selbst. Ich habe so manchen Schritt in dieser unsauberen Sache gethan: es soll mir auf einen mehr oder minder nicht ankommen.«
Er wandte sich nach dem Hause.
Plötzlich zurückschauend, machte er wieder kehrt.
»Noch ein Mittel gibt's, dich zu retten,« sagte er leise.
»Mich zu retten!« lachte sie mit unsäglicher Bitternis.
»Ich rede im Ernste. Wie die Sache jetzt steht, bist du verloren. Also lass' diesen Ton der beleidigten Seelengroße und höre mich an!«
Octavia besann sich. Was konnte ihr Gutes von diesem Verräter kommen? Dennoch: das Unheil schlug ihr fast schon über dem Haupte zusammen . . . Vielleicht, vielleicht . . .
»Nun,« fragte sie zaghaft, »was wäre das für ein Mittel?«
»Gönne mir, was du deinem Sklaven Abyssus gegönnt hast,« hauchte er durch die Zähne.
»Ich? . . . gegönnt . . .? Ha, ich verstehe dich . . .!«
»Um so besser! Willst du . . . vernünftig sein, und wär' es nur diesen einzigen Tag, so – hab' ich mich überzeugt, daß du betreffs des Abyssus vollständig unschuldig bist.«
»Bube!« rief sie erbleichend.
»Du sträubst dich?« raunte er liebegirrend und legte ihr mit brutaler Vertraulichkeit die Hand auf die Schulter.
»Rühr' mich nicht an, du Auswurf der Menschheit! Lieber sterb' ich von Henkershand . . .«
»Das Sterben von Henkershand ist bei weitem nicht so bequem, als ein wonniger Liebesrausch.«
»Fort!« rief Octavia gebieterisch. »O, wenn Claudius Nero das ahnte . . .!«
»Er wird nie was davon erfahren. Und wenn selbst: fragt er denn eine Sekunde nach dir und nach dem, was du treibst? Laß mich offen sein, edle Octavia! Du siehst so lieblich aus und so herzbewegend in deinem Leid, daß ich Erbarmen fühle, Erbarmen mit dir und mir. Ja, das alles ist Lüge. Du bist rein wie der Schnee. Poppäa Sabina hat diese fürchterliche Beschuldigung ausgebrütet, weil sie dich haßt, weil sie entschlossen ist, dich um jeden Preis aus dem Wege zu räumen. Ich, in meiner verzehrenden Rachsucht, bot ihr die Hand, weil du mich damals von hinnen scheuchtest, wie einen Bettler. Höre nun, was ich dir sage! Die Geliebte des Kaisers soll schmählich enttäuscht, sie soll aus ihrer glänzenden Höhe für immer gestürzt werden, falls du die Herbheit jener schnöden Zurückweisung wieder gut machst. Erwäg in Ruhe, was ich dir biete, – und was ich verlange. Ich liebe dich, süße Octavia! – Ich bin vernarrt in diese träumenden Augen! Laß uns Freunde sein! Laß uns genießen, was uns keiner verwehren kann! So erlösest du dich und mich! Suche doch klar zu werden und rechne mit dem Gegebenen! Damals hofftest du noch: heute aber ist alles vorüber. Du bist seit lange nicht mehr die Gattin des Imperators. Nein, Octavia! Nur das hilflos-elende Opfer seiner Geliebten! Wem also, du Verblendete, hältst du die Treue? Dem Gespenst der Erinnerung? Der frechen Poppäa? Den Marmorsäulen eures Cubiculums?«
»Mir selbst!« sagte Octavia hoheitsvoll.
Der Agrigentiner war einen Augenblick wie erstarrt. So ernsthaft hatte er's nie im Leben gemeint, so klangvoll war ihm nie der Wohllaut seiner Beredsamkeit von den Lippen geflossen. Und nun warf ihn dieses mädchenhafte Geschöpf mit zwei Worten platt auf den Boden!
Er stammelte noch einige Redensarten, bald schmeichelnd, bald drohend, bis er sich endlich in siedender Wut von ihr abwandte. Octavia hatte ihm nichts mehr erwidert.
»Dir soll's noch leid werden!« knirschte er im Dahinschreiten. »Ganz wie du willst! Dein Schicksal erfülle sich!«
Achselzuckend schritt er durchs Posticum in den Säulenhof, wo die fünfzehn Bewaffneten, die ihn begleiteten, mit den Dienerinnen ein
Weitere Kostenlose Bücher