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Nero

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Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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harmloses Plaudern begonnen hatten. Keiner von diesen Soldaten wußte, um was es sich bei der unerwarteten Expedition handelte.
    »Flieh!« wandte die schluchzende Kaiserin sich zu Acte.
    Das junge Mädchen trat zitternd und totenbleich aus dem Strauchwerk. »Fliehen? Das wäre feiger als feig! Aussagen will ich zu deinen Gunsten.«
    »Wem sollte das frommen? Denkst du, irgend jemand werde an meine Schuld glauben? Aber verurteilen werden sie mich, ob du nun sprichst oder schweigst, denn der Senat kriecht ja vor Tigellinus. Flieh, ich beschwöre dich!«
    »Herrin . . .«
    »Willst du dich foltern lassen, thörichte Schwärmerin?«
    »Um dir beizustehn, ja!«
    »Aber ich, Octavia, verbiete dir's. Acte, Acte, erspar mir doch die maßlose Demütigung! Begreifst du denn nicht? Du, seine – frühere Geliebte, solltest vor mir und ihm . . .?«
    Die Freigelassene erbleichte. »Ja, du hast recht,« sagte sie kummervoll. »Verzeih meinem Ungestüm, daß ich's gewagt habe . . . Acte, die Sünderin, muß sich verborgen halten. Aber wenn alles vorüber ist, wenn du gesiegt hast – o, dann gestatte mir, daß ich zurückkehre! Siehe, ich habe ja keine Heimat auf Erden als hier die Stelle zu deinen Füßen.«
    »Was auch geschehen mag: glaube an meine Freundschaft! Da aber niemand weiß, wie die Götter es fügen werden, so versieh dich mit einigem Geld! Ich eile ins Peristyl, wo der elende Agrigentiner die Hausgenossen zusammentreibt. Ich will ihn schon hinhalten. Schleiche dich dort um die Pinien und schlüpfe durchs Fenster. In meinem Cubiculum steht eine Truhe. Hier ist der Schlüssel.
    Nimm dir, was du begehrst! Flink, flink! Ich würde verzweifeln, wenn sie dich festnähmen . . .«
    Acte schmiegte sich wieder ins Lorbeergebüsch.
    »Fahr wohl!« seufzte Octavia. »Mir liegt's todschwer auf dem Herzen. Ich ahne das Schrecklichste.«
    »Bete!« flüsterte Acte; »nicht zu Jupiter, sondern zum Gott Jesu Christi!«
    »Ich will's versuchen.«
    »Ach, und noch einmal reich mir die Hand! Sprich, vielteure Gebieterin, hast du mir wirklich und von ganzem Herzen verziehen?«
    »Von ganzem Herzen.«
    »So bin ich getrost. Unser Vater im Himmel kann so viel Güte nicht unbelohnt lassen.«
     

Viertes Kapitel
     
    Zwei Tage später begann jener schauderhafte Skandalprozeß, wie ihn die Weltgeschichte kaum zum zweitenmale verzeichnet hat.
    Sophonius Tigellinus führte namens des Imperators die Anklage. Seine halbstündige, kunstvoll emporgebaute, mit den schmutzigsten Einzelheiten übersättigte Rede wies den Freigelassenen Octavias deutlich die Wege vor, die sie mit ihrer Aussage würden beschreiten müssen, wenn sie die ›Aufmunterungen‹ der Folterknechte vermeiden wollten.
    Nachdem er mit einer heuchlerischen Phrase des Schmerzes geendet hatte, forderte Tigellinus die marmorbleiche Octavia noch einmal auf, rückhaltslos zu bekennen.
    »Du siehst hier,« sprach er, »welterfahrene Männer und Greise, denen die offenkundige Schimpflichkeit deines Wandels die Röte der Scham in die Stirne treibt. Sie haben vieles erlebt, aber nichts von so niedriger, durch und durch besudelter Frechheit. Dennoch wird dich die hohe Körperschaft der Gnade des Imperators empfehlen, aus Rücksicht auf deine erlauchte Herkunft –: wenn du gestehst.«
    »Ich bin schuldlos,« versetzte Octavia, wider Erwarten ruhig. »Alles, was hier vorgebracht wird, ist ein Werk der Verleumdung, ein schnödes Lügengewebe, das die versammelten Väter nicht täuschen kann.«
    »Gewiß nicht!« rief eine mächtige Stimme.
    Es war Soranus, der würdige Stoiker.
    »Nein, beim Jupiter!« fügte Thrasea Pätus hinzu. »Und deß zum Beweis erkläre ich, eh' noch ein weiteres verhandelt ist, daß ich mich glücklich schätze, wenn die erlauchte Kaiserin mir die Gnade erweist, meine vierzehnjährige Tochter zur Gesellschafterin zu wählen.«
    Ein Murmeln der Ueberraschung ging durch die Sitzungshalle. Man kannte die sittliche Strenge dieses Senators, die geradezu peinliche Sorgfalt, mit der er seine durch Schönheit ausgezeichneten Kinder erzogen hatte.
    »Reize ihn nicht!« flüsterte Flavius Scevinus, der ihm zur Rechten saß. »Ein einziger Blick in diese angstbeklommenen Gesichter muß dich belehren, daß wir dem Schicksal nicht in den Arm fallen können. Das Unglaubliche wird sich vollziehen: die reinste, züchtigste Frau, die je das Palatium betreten, wird von der feigen, ewig duckenden Mehrheit verurteilt werden.«
    »Aber soll ich zu dieser Missethat

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