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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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einen festlichen Beigeschmack habe.
    Nun standen sie alle, die Christusgläubigen, in unabsehbarer Kette gereiht, wie Maulbeerbäume, denen der Gärtner im Frühjahr die Zweige beschnitten hatte.
    Einige jammerten laut auf; andre starrten glasigen Blicks vor sich hin; drei oder vier hatte die Angst schon entseelt. Die meisten jedoch, darunter nicht nur trotzige Männer und Jünglinge, sondern auch liebliche Mädchen in erster Jugendblüte, schauten todesfreudig zum Himmel auf und murmelten mit kaum vernehmbarer Stimme fromme Gebete.
    Rechts vom Pulvinar des Imperators, nur etwas niedriger, stand ein üppiges, breites, kunstvoll geschmiedetes Ruhelager mit schwellenden Polsterkissen, gleichfalls von einem Baldachin überragt, – der Platz des unverwüstlichen Agrigentiners. Er strahlte von Selbstgefühl; das vornehme, leicht vom Wein gerötete Antlitz sah jünger aus als gewöhnlich.
    Neben ihm, das perlengeschmückte Köpfchen sanft anschmiegend, lehnte die reizende Rhodierin Chloris, im Florgewande der Insel Kos, hold und zauberisch trotz ihrer Schamlosigkeit, ganz erfüllt vom Kultus des vermeintlichen Helden, der ihr, wie im Ueberschwange der Sehnsucht, den Arm fest und fester um den blühenden Leib schlang.
    Poppäa Sabina, im Gefühl ihrer Würde als Gattin des Imperators, hatte zwar anfangs gegen die dreiste Oeffentlichkeit dieses Verhältnisses angekämpft: aber was konnte sie auf die kühne Bemerkung des Agrigentiners erwidern, daß sie ja selber, obgleich nicht eine Hellenin, sondern eine vornehme Römerin, sich in der nämlichen Weise mit ihrem kaiserlichen Geliebten gezeigt hatte, wiewohl die Gemahlin desselben damals noch lebte?
    Chloris hing vielleicht um so zärtlicher an den Augen des Tigellinus, als sie durchaus keine Freundin solcher grausamen Schauspiele war, wie sie den Römern zum täglichen Brot gehörten. Als Griechin und Künstlerin besaß sie ein reich entwickeltes Schönheitsgefühl, – und schon aus diesem Gesichtspunkte widerstrebte ihr Herz dem Anblick leidender Mitmenschen. Nur dem Wunsche ihres vergötterten Tigellinus gehorchend, teilte sie hier sein purpurnes Lager, schloß jedoch beim Herannahen der menschenbefrachteten Pflöcke unwillkürlich die Wimpern und wandte sich dann ausschließlich ihrem verliebten Eroberer zu.
    Jetzt plötzlich, da alles in atemloser Erwartung schwieg, und selbst das Wimmern der klagenden Nazarener zu ebben schien, drang ein Schrei durch die beginnende Dämmerung, gell und schaurig wie der Todesruf eines Wahnsinnigen, der sich von schwindelnder Felsenwand hinab in den Abgrund stürzt.
    Entsetzt schaute Chloris empor.
    Aus der Werghülle eines der beiden Pfähle, die nur wenige Schritte vom Fußende ihres Lagers entfernt standen, blickte in grauenhafter Verzerrung ein wohlbekanntes Antlitz herüber, – das Antlitz des Artemidorus.
    Ruhig und standhaft hatte der gläubige Nazarener bis dahin sein Schicksal ertragen. Sein heroischer Mut hatte obgesiegt über jede schwächliche Anwandlung. Jetzt aber, wie er so von der furchtbaren Höhe des Marterpfahls das Mädchen erblickte, das ihn einstens geliebt und dann so schnöde vergessen hatte, jetzt verlor er die Fassung.
    Noch einmal packte ihn das vergängliche Erdenglück, das er längst, längst überwunden glaubte, mit all den selig-schmerzlichen Schauern von ehedem.
    Das also war die letzte Erfüllung des Traumes, den er Jahre hindurch im tiefsten Grund seiner Seele gehegt und genährt hatte! Er gedachte jenes unvergeßlichen Abends im Hause des Flavius, da er knieend ihr den Kranz überreicht hatte. Chloris war sein Gedanke bei Tag und bei Nacht gewesen. Er glaubte an sie wie an Jesus den Galiläer. Beim ersten Gerüchte, daß sie empfänglich sei für die Huldigungen der Großen, war er gramerfüllt zu ihr geeilt. Sie hatte ihn zärtlich geküßt, seiner Sorge gelacht und ihm heilig beteuert, er, nur er solle dereinst sie besitzen. Dann aber entschwand sie ihm völlig. Mehr und mehr gehörte sie zur Gesellschaft des Hofes. Artemidorus litt über alle Beschreibung. Er ahnte, er wußte, was da geschehen war, lange bevor er mit eigenen Augen sich davon überzeugt hatte. Nun riß er mit aller Gewalt sich los. Er kämpfte verzweiflungsvoll, bis ihm die Lehre des Heilandes, der da gesprochen hatte: ›Nehmet euer Kreuz auf euch und folgt mir nach –‹ endlich den Frieden gab.
    Er hatte gehofft, die göttliche Kraft dieses Friedens werde ihm vorhalten bis zum letzten Moment.
    Da mußte er, fast in derselben

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