Nero
worden. Zahlreiche Späher überwachten die Unterredungen; man fahndete auf die Verbreiter jenes Gerüchtes, das den Cäsar zum Urheber der Katastrophe gestempelt. Ein Ritter aus Nola und zwei Menenier – Vettern jenes Lucius und jenes Didius Menenius, die als Opfer ihrer kaiserfeindlichen Umtriebe damals gefallen waren – hatte man kurz vor Beginn des Mahles verhaftet.
Um das Volk nicht zu sehr zu erhitzen, hatte der Kaiser Sorge getragen, daß nur ganz leichter Vesuvwein, zur Hälfte mit Wasser gemischt, verabreicht wurde. Dennoch erklomm die jubelnde Ausgelassenheit dieser schmausenden Menge einen bedenklichen Grad, so daß Phaon seine Sklavenkolonnen immer und immer wieder zur Beschleunigung antrieb.
Endlich waren die sogenannten Bellaria verzehrt. Ein letzter Trunk, eine Libation, ein ›Hoch!‹ auf den Imperator und die reizend geschmückte Poppäa . . .
Nun schmetterte eine Riesenfanfare, das Echo sämtlicher Hügel weckend, über die Häupter der achtzigtausend hinweg. Mit staunenerregender Schnelligkeit wurden die Tafelreihen verlassen. Das Volk strömte durch die zahlreichen Seitengänge schaulusterfüllt nach dem Festplatz, wo es in weitem Kreise amphitheatralisch sich lagerte.
Dieser prächtige Festplatz mit den rings ansteigenden Erdstufen und der glänzenden Hoftribüne unten im Mittelpunkt war ein improvisiertes Meisterstück des großen Vergnügungskünstlers Sophonins Tigellinus. Nichts verriet mehr die Eile der Herstellung. Die himmelansteigenden Pappeln und Ahornbäume, die noch vor wenigen Tagen den Raum bedeckt hatten, waren ebenso spurlos hinweggemäht, wie der marmorne Tempel und die blumenbewachsene Bodenerhöhung, auf der er gestanden. Frischer, etwas besprengter Sand überdeckte das Grab dieser Herrlichkeiten, – so reinlich, so mathematisch glatt, als hätte hier nie die phantastische Unordnung einer üppigen Wildnis geherrscht.
Eiserne Fackelträger, haushohe Leuchter mit riesigen Pechpfannen, silberne Prunklaternen mit Scheiben von papierdünnen Hornplatten oder von Glimmerglas waren in so unerschöpflicher Anzahl aufgestellt, daß sie demnächst die ganze Arena taghell erleuchten mußten.
Dicht vor der Kaisertribüne, auf der langhingestreckten Linie, die von dem einen Ende des Zuschauerhalbkreises zum andern lief, sah man im Boden, je zwei Fuß von einander entfernt, eine regelmäßig geordnete Reihe von Löchern, wohl dreihundert und mehr. Dahinter aber lag noch die Erdmasse, die man herausgeschaufelt.
Als eben der Imperator mit Poppäa Sabina auf dem baldachinüberdachten Pulvinar Platz genommen, – der Hofstaat hatte sich längst schon gelagert – da trugen die palatinischen Sklaven, je zu vieren gleichzeitig anfassend, seltsame, hoch in die Lüfte ragende Pfähle herzu, deren spitziges Ende lotrecht in die Gruben gesenkt, mit der aufgeworfenen Erde umschüttet und dann sorgfältig festgerammt wurde.
Am oberen breiten Ende befand sich ein menschliches Wesen, bis an die Schultern von filzartig-zähem Werg umhüllt. Dicke Eisendrähte schnürten den Leib und die Gliedmaßen fest wider den Balken. Das Ganze war mit flüssig gemachtem Wachs und Pech, mit Teer und mit Oel reichlich getränkt.
Diese dreihundert Menschen sollten nach Eintritt der Dunkelheit – gleichsam als erster Beleuchtungseffekt – von den Sklaven des Imperators angezündet werden wie Fackeln.
Das Volk hatte gestern bereits Kunde von dem, was sich hier abspielen sollte. Dennoch war es vom Anblick des abenteuerlich-grausigen Zuges derart überrascht, daß es vor wilder Freude gell aufheulte. Die alte, mitleidslose, blutverlangende Schaulust der Amphitheaterbesucher, denen die Gladiatoren niemals furchtbar genug zerhackt und verstümmelt wurden, regte sich doppelt stark in diesen wohlgesättigten, weindurchdüfteten Massen.
»Die Nazarener!« scholl es von allen Seiten. »Die Nazarener im Pechgewande! Ob diese Tunica nach ihrem Geschmack ist? Fluch den Mordbrennern! Fluch euch Abergläubischen, die sich an Rom vergriffen! Auf! Erprobt's nun am eigenen Leibe, welch ein liebliches Element die verzehrende Flamme ist!«
Nach fünf Minuten waren sämtliche Marterpfähle im Boden befestigt. Die Träger zogen sich eilig zurück. Eine wimmelnde Schar üppiger Tänzerinnen brach wie eine lustig flatternde Wolke aus dem benachbarten Strauchwerk hervor und bestreute den Erdgrund rings um die Pfähle mit Rosen und Veilchen, damit, wie Tigellinus sich ausdrückte, im gesegneten Reiche des Nero auch die Todesqual
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