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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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in den Tod! Ein Sprung hier über die Brüstung schiene mir logischer, als der Irrwahn eurer trostlosen Selbstverleugnung.«
    Zur Tiefe schauend, gewahrte er einen langen Zug seiner Sklaven, die mit schweren Ladungen aller Art nach den vatikanischen Gärten hinauszogen.
    Im Auge des Imperators flammte es auf wie von plötzlicher Wildheit. Er sah ihnen nach, bis sie hinter den ragenden Mauern eines ausgebrannten Theaters verschwunden waren.
    »Ja, so ist's,« hauchte er durch die Zähne. »Wenn nicht jeder Tag, der über die Berge steigt, uns neue Wonnen verkündet, neue Erregungen, dann ist's eine Qual zu leben. Genießen will ich, bis mir der letzte Blutstropfen in den Adern erstarrt; Auge und Ohr ergötzen; im berauschenden Cäcuber den letzten Verstand lassen, und am Busen verliebter Weiber und knospender Mädchen Verzückungen schlürfen wie der hellenische Donnergott. Ich wäre nicht Nero, wenn Poppäa allein mir genügen könnte. Nein, ihr alle genügt mir nicht, und wäre ich turmhoch unter dem Blütenglanz eurer schimmernden Leiber begraben! Die rasendste Lust ist nur eine Täuschung für Augenblicke. Sie stillt nicht, was da drinnen so maßlos wütet und tobt. Nazarener, ihr sollt mir die Antwort geben, ob's noch ein Mittel gibt, den Lebensdurst des Imperators zu löschen! Ich fühle es, wie's mich stürmisch hinaustreibt zum Anblick eurer grausigen Todesqualen. Vielleicht bedarf ich eurer unsäglichen Marter als Hintergrund für das Glück, dem ich nachjage. Wenn jeglicher Nerv eures gefolterten Leibes vor Schmerz zusammenzuckt wie eine zertretene Schlange, so muß die Wonne sich zwiefach als Wonne fühlen. Unsre Altvordern bauten ihre Triclinien mit dem Ausblick auf Gräber und Leichensteine: das erhöhte ihnen die Freuden am Festgelage. Ich will das noch überbieten. Körper will ich erblicken, die langsam dahinsterben, die toll werden bei dieser entsetzlichen Langsamkeit, während mich zitternde Wollust zum Gotte macht. Ich muß jetzt nachholen, was ich früher versäumt habe.«
    Die Arme über der Brust verschränkt, umwandelte er einigemal die Plattform. Ein seltsames Lächeln zog ihm die Lippen kraus.
    »Die guten Quiriten! Wenn sie ahnten, daß ihr Kaiser nahe daran war, den elenden Nicodemus Bruder zu nennen! Wäre er minder bübisch gewesen, – beim Styx, wer möchte dann sagen, wie's heute um Rom stünde . . .?«
    Er seufzte.
    Dann zog er die Achseln hoch.
    »Schwerlich besser!« sagte er zu sich selbst. »Deutlich in jeder Linie erblick' ich es vor mir, das harte, starre Gesicht mit den tiefliegenden Augen. Seine lauernde, demütig-stolze Art schien zu sagen: ›Steige herab vom Thron der Imperatoren: ich, Nicodemus, hoffe hier Platz zu nehmen!‹ Wenn das geschehen wäre, wenn die Ehrsucht des Nicodemus jede Selbständigkeit in der Seele des Herrschers vernichtet und die eigene, siegverlangende Unduldsamkeit an die Stelle gesetzt hätte: wahrlich, die furchtbare Katastrophe, die jetzt eben zu Ende ging, wäre ein Scherz gewesen im Vergleich mit den blutigen Umwälzungen im weiten Weltreich! Er hätte die Feinde des Nazarenertums mit Feuer und Schwert verfolgt, und Scheiterhaufen errichtet, in ihrer Gesamtheit größer und qualmender, als die lodernde Roma!«
    Er sah zu Boden.
    »Wunderbar!« klang es halblaut von seinen Lippen. »So verschiedenartige Früchte zeitigt ein und derselbe Glaube. Nicodemus und Acte! Welch ein Gegensatz zwischen den beiden! Welch ein klaffender Abgrund!«
    Höher und höher flammte das Morgenrot über dem Kamm des Sabinergebirges. Zartes Purpurgewölk schwamm flockengleich im Zenith. Der erste Strahl zuckte über die niedergebrannte Stadt und verkündete einen Tag, der unvergeßlich sein sollte in den Annalen der römischen Kaisergeschichte.
    Zwei Stunden später empfing der Cäsar den Agrigentiner, der ihm zu melden kam, wie weit sich die Vorbereitungen zu dem für heute abend geplanten Riesenfeste entwickelt hatten.
    Alles ging hier nach Wunsch.
    »Ich bürge dafür,« lächelte Tigellinus, »du selber, dessen Auge doch wahrlich von Schaustellungen und kunstvoll ausgedachtem Gepränge schier übersättigt ist, du selbst, o Cäsar, wirst überrascht sein und mir bekennen, mein Werk sei musterhaft.«
    »Also wie lautet dieses musterhafte Programm?«
    »Laß mich die Einzelheiten verschweigen, ich bitte dich! Du bist Künstler genug, um zu begreifen, daß man lieber zu wenig verrät als zu viel. Die Bewirtung des Volkes leitet mir der vortreffliche Phaon, dessen

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