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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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erstreben: sein ehrenhaftes Verlangen jedoch wirkte so abscheuerregend, daß sie das Weite suchte wie vor dem Hauche eines Verpesteten!
    Sie floh vor ihm, sie ließ alles im Stich, weil sie besorgte, er möchte Gewalt brauchen!
    Erbärmliche Niederlage! Qualvolle, unbeschreibliche Demütigung!
    Der Gedanke an dieses Erlebnis hatte ihm wochenlang die Brust zusammengeschnürt. Diese lichtstrahlende Acte verlieren zu müssen, – und sie so zu verlieren. es überstieg alles erträgliche Maß!
    Von Actes wahren Beweggründen hatte er nicht die leiseste Ahnung. Denn daß der Cäsar mit so energischem Eifer nach ihr geforscht hatte, hielt er für eine Rücksicht auf Nicodemus, der mit Seneca fast ja befreundet war. Hätte Pallas die Wahrheit gewußt, er würde gerast haben wie Ajax, da ihm die Götter den Geist umnachteten.
    Jetzt, hinter der Sänfte seiner Fürstin einherschreitend, von dem prunkenden Troß der palatinischen Sklaven umringt, ein Gegenstand offenen und heimlichen Neides für so viele Tausende, hatte sich Pallas mit der Enttäuschung zurecht gefunden. Er trug das ausdrucksvolle, energische Haupt hoch; er fühlte sich ganz und gar in der Rolle als Schöpfer der agrippinisch-neronischen Dynastie. Dennoch schien er etwas gealtert. Wenn ein tüchtiger Mann, der Jahre hindurch nichts gefühlt hat, als die Lust am Gedeihen seiner Arbeit, plötzlich von einer unüberwindlichen Neigung und gleich darauf vom Weh über den Untergang jeder Hoffnung ergriffen wird, so läßt das tiefere Spuren zurück, als selbst die leidenschaftlichsten Stürme des Jünglingsalters.
    Der Geleitschaft der Kaiserin-Mutter folgte die goldene Lectica des Imperators und seiner Gattin Octavia.
    Auch dieser Sänfte schlossen sich dreißig Fackelträger und eine halbe Manipel der Leibgarde an, befehligt von dem Agrigentiner Sophonius Tigellinus.
    Auf seinem prachtvollen kappadocischen Rapphengst ritt der zündende Kavalier unmittelbar neben der jungen Gebieterin. Das Pferd war, angesichts der brausenden Menschenmenge, ein wenig unruhig, was dem Agrigentiner nicht nur die erwünschte Gelegenheit gab, seine ausgezeichnete Meisterschaft als Reiter und Bändiger ins gehörige Licht zu setzen, sondern auch ab und zu unter den tiefschwarzen Wimpern hervor nach Octavia zu blicken, die leise errötend ihr Antlitz neigte, zum Gegengruß für die begeisterten Volksmassen.
    »Sie ist schön,« dachte der Herzenseroberer aus Agrigentum, »schön wie Diana; aber ich fürchte, auch ebenso streng . . . Und er liebt sie nicht, mein weltbeherrschender Nero! Unbegreiflich! Einfach absurd! Ich glaube, hätt' ich im Anbeginn meiner Lebensreise ein Mädchen geschaut wie diese Octavia – ich wäre niemals der unersättliche Sünder geworden, der jetzt hier so brillant seinen Rappen zügelt. Eine tolle Geschichte, die Biographie des würdigen Tigellinus, – und im Grunde: ewig die nämliche Leier! So in jeder blühenden Frauengestalt die himmlische Aphrodite zu suchen und doch nur immer ein klägliches Bruchstück zu finden, ein schwaches Echo der göttlichrauschenden Melodie – das wirkt nachgerade ermüdend. Bei der Epona, mir kommt so manchmal die dumme Idee, als spiele man bei der Komödie eine recht lächerliche Figur! Hier zum erstenmal . . .! Dreister, titanenhafter Geselle, kennst du deinen Homer nicht? Nun, König Ixion hatte die Sache wohl etwas ungeschickt angefangen . . . und . . . Pah, sie ist wirklich die babylonische Rose – nicht zu vergleichen mit all den Blumen und Blümchen, die ich bis dahin vom Strauche gepflückt – und den Helden lockt Heldenhaftes!«
    Die junge Kaiserin war in der That eine Frauenerscheinung, wie sie den leicht entbrannten Agrigentiner verblüffen durfte. Früher von heiterer, lebensfroher Gemütsart, schaute sie jetzt – im Widerspruch zu ihrer milden, weichen Gesichtsbildung – außerordentlich ernst und gemessen drein. Ueber den langen bräunlichen Wimpern, die sie meistens gesenkt hielt, lag ein Schatten von Trauer. Schweigsam lehnte sie neben dem jungen Gemahl, dessen bleiches, marmornes Antlitz ihr eigenes geheimstes Wesen seltsam zu spiegeln schien.
    Diese plastische Ruhe der beiden Ehegatten und der eigentümliche Hauch innerer Fremdheit, der sie umschwebte, mußte ein tiefer blickendes Auge geradezu peinlich berühren. Offenbar hatte das Schicksal hier zwei Herzen aneinander geknüpft, die, beide von edler Veranlagung, sich gleichwohl in ihrem Denken und Fühlen durchkreuzten. Nero, die

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