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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Philosophie? . . . Und dennoch trauerst du?«
    Das Antlitz des Imperators hellte sich auf.
    »Ja, du hast recht,« sprach er, dem Staatsminister die Hand reichend. »Ich könnte zufrieden sein. Dies und andres haben wir durchgeführt, zwar nur Vorbereitungen, tastende Vorbereitungen, aber doch immerhin Rühmliches und Erhebendes. Die Herrschaft der Pflicht – das Wort schon klingt wie göttliches Tubengeschmetter; es leiht die Kraft des Verzichtens, der Selbstverleugnung. Aber ich bin ein sterblicher Mensch, der leicht und oft in seine Schwäche zurückfällt . . . Es beschleicht mich im Traum wie im Wachen: das heiße, ungestillte Verlangen nach Glück . . .«
    »Das Glück beruht in der Erfüllung des Sittengesetzes,« sagte der Staatsminister.
    »Ich erfülle das Sittengesetz – aber das Glück durchdringt nicht das Gewölk meines Lebens.«
    »Was in aller Welt kannst du entbehren? Du, der Cäsar, der Philosoph, der Gatte der schönen, liebevollen Octavia, die für dich sterben würde, – obschon sie dir nach ihrer Art Opposition macht . . .«
    »Wäre es das nur! Opposition! Denkst du, ich bin so unduldsam? Ihre Meinung zu äußern, hat sie als Kaiserin und Gemahlin das Recht. Allerdings, ich bekenne dir, es überrieselt mich frostig, wenn ich des Abends im Thalamus noch Erörterungen höre über den Groll des allmächtigen Jupiter . . . Aber wär' es auch anders, stünde sie auf der Seite der Freiheit: ich hätte doch keine Rast. Ich weiß nicht, was mich von hinnen treibt. Oft ergreift's mich wie Mitleid: ich komme mir vor wie ein großer Verbrecher, daß ich ihr die unsägliche Güte nicht danken kann: und dennoch –; es ist mein Unheil.«
    »Du liebst sie nicht,« sagte der Staatsminister bedrückt.
    Nero seufzte.
    »Liebe – Liebe! – Ich denke, die Liebe reißt den Menschen mit fort, wie ein Wirbelwind . . . Man fühlt sich betäubt, man möchte vor Sehnsucht dahinsterben, und dennoch regt sich's in allen Adern wie Feuer . . .! Kein andrer Gedanke hat Raum in der zerspringenden Brust, als sie! – Sie! – Um ihren Besitz gäbe man alles, alles dahin, – selbst den Thron, selbst die weltbeglückende Weisheit der Stoa . . .«
    Mit jeder Silbe war der Cäsar lebhafter, leidenschaftlicher, wilder geworden. Er drückte die Faust wider die Brust, als habe er da drinnen einen tosenden Sturm zu bändigen.
    »Du
hast
so geliebt!« raunte der Staatsminister, wie von plötzlicher Offenbarung erleuchtet.
    »Ja! Einmal soll es gesagt werden! Ich
habe
geliebt! Ein blondes, süßes, himmlisches Mädchen – Acte, die Freigelassene des Nicodemus! Weh mir! Mein Glück ist zertrümmert, noch eh' ich's genossen habe! Diese liebliche, angebetete Acte – ich schwöre dir's bei der Grabstätte meines unvergeßlichen Vaters Domitius – wäre Kaiserin geworden, hätte ein blödes, unbegreifliches Schicksal uns nicht frevelhaft auseinandergerissen!«
    »Wie? Eine Freigelassene auf dem Fürstensitz des Palatiums?«
    »Du widersprichst dem obersten Grundsatze deiner Philosophie,« sagte der Cäsar, »wenn du in so verwundertem Tone die Frage aufwirfst. Ich wiederhole dir's: die Abmachungen des Kaisers Claudius hätte ich aufgelöst; Octavia würde sich bald getröstet haben, und Acte, die Einzige, Unvergleichliche, wäre mein Weib. Klatsche doch Beifall, Seneca! Die Nazarenerin auf dem Throne, – das wäre der kühnste Schritt zur Verwirklichung deiner gesellschaftlichen Revolution!«
    »In der That,« stammelte Seneca . . . »Aber ich fürchte . . .«
    »Leider, leider hast du gar nichts zu fürchten,« fiel der Cäsar ihm in die Rede. »Roms Kaiserin heißt Octavia – Acte ist ausgelöscht, wie ein längst verglommenes Meteor, und Nero hat glücklicherweise gelernt, seine Träume zu zügeln. Laß uns jetzt diese verderbliche Wanderung beschließen! Heute will ich den Ernst des Daseins vergessen und Epikuräer sein. Flavius Scevinus, wenn er den Kaiser zu Gaste lädt, erwartet mit Recht einen gut gelaunten Gesellschafter.«
    »Wie du befiehlst. Ich eile mich umzukleiden.«
     

Sechstes Kapitel
     
    Anderthalb Stunden später herrschte vor dem Vestibulum des Kaiserpalastes ein großes Gedränge. Die Soldaten der Leibwache, die hier, den Speer im Arme, aufgepflanzt waren, hielten die neugierbeseelte Volksmasse nur mit Mühe zurück. Die Stufen und Sockel der benachbarten Tempel waren dicht mit Menschen besät; halbwüchsige Gesellen hatten die vergoldeten Standbilder erklettert; sogar

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