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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Sohn!«
    Der sanften Octavia küßte Flavius Scevinus die Hand. Sein Auge strahlte, als die errötende Frau einige Silben der Artigkeit an ihn richtete. Octavia war von jeher sein Liebling gewesen. Er ahnte nicht, daß sie litt; er hielt ihre Ehe mit Nero für das Urbild stiller Glückseligkeit.
    Mit herber Verbitterung nahm Agrippina wahr, wie sich Flavius Scevinus von dem jungen Paare nicht trennen zu wollen schien, während Metella bereits die Worte sprach: »Herrscherin Agrippina, – wenn dir's genehm ist, laß uns eintreten!«
    Trotz der mangelnden Wohlgesinntheit des Flavius hatte es Agrippina für selbstverständlich gehalten, vom Hausherrn geleitet zu werden, und nicht von Metella, dieser grobknochigen, frühgealterten Krämerstochter – in Wirklichkeit entstammte sie einer der angesehensten Reeder-Familien von Ostia – dieser Plebejerin, die als halbwüchsiges Mädchen alte Segel geflickt hatte, jetzt aber den Kopf in dem Nacken trug, als sei ihr die purpurgeränderte Toga ihres zukünftigen Ehegemahls in der Wiege schon prophezeit worden.
    Agrippina bezwang indes ihren Unmut, versuchte zu lächeln und schritt hoheitsvoll durch den Thürgang.
    Das große korinthische Atrium des Flavius Scevinus war bereits von einer glänzenden Schar vornehmer Gäste erfüllt. Senatoren mit ihren Frauen und Töchtern; Ritter, die sich im Staatsdienste oder als Rechtsbeistände hervorgethan; der Pontifex Maximus; die Priester der drei obersten Gottheiten; der Stadtpräfekt; mehrere süditalische Großgrundbesitzer; einzelne Klienten von bevorzugter Stellung –: das alles mischte sich in dem halb überdeckten Raum bunt durcheinander.
    Nur wenige Schritte vom Ostium entfernt stand eine mittelgroße Männergestalt von überraschender Klarheit und Sicherheit. Das geistvolle Auge gemahnte an Seneca; Antlitz und Haltung jedoch verrieten in höherem Grade, als bei dem Staatsminister, die Fülle einer unwankenden Willenskraft.
    Dieser bedeutende Mann war Thrasea Pätus, der grimme Verurteiler Agrippinas, der glühende Patriot, der seine ganze Hoffnung auf den Regierungsantritt Neros gesetzt hatte, und der nun erleben mußte, wie die ehrsüchtige Kaiserin-Mutter trotz aller offenen und heimlichen Gegenströmungen dennoch den Staat im wesentlichen nach ihrem Geschmack lenkte, die Käuflichkeit und Verderbtheit allenthalben begünstigte, die einflußreichsten Aemter mit ihren ödesten Kreaturen besetzte und selbst den Staatsminister nur um deswillen duldete, weil die Einseitigkeit seiner Philosophie den jungen Kaiser zur Bethätigung wirklich praktischer Kräfte untauglich machte.
    Beim Erscheinen der Kaiserin-Mutter neigte Thrasea Pätus kaum bemerklich das Haupt. Dem jungen Paare jedoch eilte er lebhafter noch als vorher Flavius entgegen, hielt die schlanke Apollogestalt des Kaisers lange umschlungen und küßte ihn dreimal weihevoll auf die Stirne.
    Octavia schien beim Anblick dieses edelsten aller Römer lebhaft ergriffen. Ihr Busen hob sich und senkte sich stürmisch, als vergesse sie jegliche Selbstbeherrschung. Wehmütig-schwärmerisch weilte ihr Blick eine Sekunde lang auf den Zügen ihres Gemahls. Niemals war er so schön gewesen, so unvergleichlich. Sie hätte ihm zurufen mögen: »Alle Herrlichkeit dieser Erde wollte ich dafür hingeben, wenn du dereinst als Fünfzigjähriger auf ein Leben zurückschauen könntest, wie dieser Thrasea!«
    Nachdem die erlauchten Ankömmlinge hier und dort noch einige Worte mit den Bevorzugtesten unter den Gästen gewechselt hatten, gab ein lustiges Trompetengeschmetter das Zeichen zum Beginne des Festmahls.
    In Paaren gereiht, wandte sich die Gesellschaft nach dem Cavädium, wo der Hausverwalter unter dem tiefblauen Frühlingshimmel zwei lange Festtafeln aufgestellt hatte.
    Rings an der dorischen Kolonnade brannten in erzgetriebenen Haltern mannshohe Fackeln, deren würzige Rauchwolken sanft gekräuselt in die beginnende Dämmerung emporstiegen. Kleinere Lichter glänzten auch oben vom Gesimse des Daches.
    Die Tafeln selbst konnten bei dieser taghellen Beleuchtung der üblichen Bronzelampen entbehren. Um so üppiger glänzte ihr Blumenschmuck. Rosen- und Veilchengewinde schlangen sich duftend um die silbernen Mischkrüge, um die kostbaren Murrhagefäße und die kunstvollen Schaugerichte. Für die Stirnen der Festteilnehmer lagen dreihundert schwellende Kränze bereit. Rosenblätter und zerpflückte Narzissen überdeckten, so weit das Auge reichte, den Fußboden. Sämtliche Säulenschäfte

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