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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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phantastisch lebenswilde Natur, deren Uebersprudeln nur auf künstlichem Wege zurückgedrängt wurde, Nero, der Abtrünnige, Nero, der Mann der inneren Stürme und Kämpfe – wie paßte er zu der klar-gefesteten, frommen Octavia, deren Gemüt in dem altvererbten Glauben der Väter selig ward, die jeden Zweifel ihres Gemahls mit einem Seufzer des Mitleids, einem Lächeln der Zuversicht und der Hoffnung beantwortete?
    Wenn Claudius Nero einen schweren Entschluß gefaßt, Großmut geübt oder sonst einen Sieg über sich selber errungen hatte, so fand Octavia das alles nur selbstverständlich.
    Wie konnte man schwanken, wo die Dinge so hell und so offen dalagen? Ein edler Mensch fand hier den Weg ja im Dunkeln . . .
    Nero fühlte bei solchen Reden seiner Gemahlin ein sonderbares Gemisch widerspruchsvoller Empfindungen: Groll, Bewunderung, Scham – vor allem aber ein trotziges Mißbehagen, das zuweilen die Färbung eines beginnenden Hasses annahm.
    »Heil dem Kaiser!« klang es jetzt von neuem durch die jauchzende Menge. »Heil der Kaiserin, unsrer süßen Octavia!«
    Nero, tief Atem holend, blickte zu seiner jugendlichen Gefährtin hinüber. Er versuchte zu lächeln . . . Sie schaute eine Sekunde lang auf, um wieder den träumerisch-müden Blick seufzend niederzuschlagen.
    In der That, sie schien gleichgültig zum Erschrecken.
    Und so war sie von je, dachte der Kaiser.
    Nicht einmal am Tage der Hochzeit hatte sie jene holde Erregung gezeigt, die selbst ein unschönes Mädchen bräutlich verklärt. Starr und stumm war sie geblieben, die Statue Pygmalions vor ihrer Beseelung durch Aphrodite.
    Wie anders Nero! Beim Zeus, er hatte sie niemals geliebt; – und dennoch, als nun die Thüre des Thalamus friedlich geschlossen war, als er das jugendblühende Weib vor sich erblickte, zauberisch vom Purpurschimmer der Ampel umflossen: da hielt er seine bisherige Gleichgültigkeit für ein Märchen, da schien sie ihm hold und begehrenswert, wie kaum die Helena dem zärtlichen Alexandros. Er setzte sich auf den löwenfüßigen Goldsessel, zog sie stürmisch zu sich heran und flüsterte sehnsuchtsvoll: »Laß uns glücklich sein, süße Octavia, glücklich ein langes Leben hindurch!«
    Mit flammenden Küssen überflutete er das liebliche Angesicht, die kostonduftigen Haare, die schneeigen Schultern . . .
    Sie aber, von der ihm die Freigelassene Rabonia – ihre Vertraute – so oft beteuert hatte, daß sie vor Liebe zu ihm vergehe, sie, die ›zärtliche Braut mit den leuchtenden Rehaugen‹, schien bei all seinen trunkenen Beteuerungen nach wie vor das leblose Marmorbild.
    Wenn sie sich noch gesträubt hätte! Aber sie wehrte ihm nicht; sie that nicht verschämt; – sie erlaubte nur seine Liebkosung, ohne Gefühl, ohne den leisesten Hauch von Glückseligkeit.
    Nero verlor so gleich am Anfang den Glauben an ihre Neigung. Sie schien ihm höchstens die Empfindung einer Schwester zu hegen. Er war nicht Heuchler genug, um ihr seinerseits auf die Dauer verbergen zu können, daß er noch weniger fühlte. Der Riß war unheilbar. Nur nach außen hin wahrte man noch den Schein.
    Auf die Geleitschaft des Kaiserpaares folgte der angesehenste und vertrauteste Sklave des Imperators, der sechsunddreißigjährige Phaon. Um den wohlgebildeten, sympathischen Mund spielte ein Zug von Keckheit, der dem stattlichen Manne etwas Jünglingshaftes verlieh. Dieser Phaon schien die großen Fragen der Existenz nicht allzu düster zu nehmen. Seine Philosophie mochte die des Horaz sein: »Pflücke das Heute und hoffe möglichst wenig von dem, was da kommen soll!«
    Neben dem Obersklaven schritten fünf oder sechs andre Bedienstete, perlengeschmückte Kästchen von Citrusholz vor sich her tragend. In diesen Behältnissen waren allerlei Kostbarkeiten verpackt – Geschenke des Kaisers für die Gemahlin und die Töchter des Flavius Scevinus.
    Den Schluß des Zuges machte die Sänfte des Seneca. Zahlreiche Hofbeamte und Prätorianer umringten sie. In ihren Polstern saß, außer dem Staatsminister, der Oberst der Leibwache, Afranius Burrus.
    Das Volk begrüßte die allbeliebten Männer mit jubelnden Zurufen.
    »Heil den Dioskuren des Reiches!« klang es vielhundertstimmig.
    »Seneca lächelt!« sagte ein greiser Klient. »Seht, er lächelt wie einer, der im Triumphe einherzieht! Kein Zweifel, er hat günstige Nachrichten von der Grenze! Die Chatten sind seiner Staatskunst erlegen, die Chatten, die das Schwert nicht besiegen konnte.«
    »Glaube das nicht!«

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