Nero
versetzte ein Hüne mit flachsblondem Haupthaar. »Die Chatten sind ebenso klug im Rate, wie tapfer im Kampf. Aber Freundschaft wollen sie halten mit Rom und Frieden, und deshalb entsenden wir nächstens die vornehmsten unsrer Edelinge, auf daß sie den Cäsar begrüßen und im Namen der übrigen mit ihm verhandeln.«
»Das ist auch Triumph,« sagte der Römer. »Ich wußte es ja: Seneca lächelt. O, diese Blüte der Philosophie! Wahrlich, die Toga ist immer noch mächtiger als die Waffen!«
»Denkst du?« fragte der Germane. »Burrus, wie er so dreinschaut, mahnt mich ans Gegenteil.«
Die beiden Charakterköpfe – der unüberwindliche Denker und der straffe, entschlossene Kriegsmann – gaben dem ernsten Beobachter wirklich ein Rätsel auf. Seneca – blaß, ruhig, die gewaltige Stirne kahl und gefurcht; Burrus, das Antlitz gerötet, wie nach dem zwanzigsten Becher, muskelstark, beinahe derb –: welcher von diesen zweien hielt das Schicksal des Reiches zwischen den Händen? Seneca, der die jahrtausendalte Vergangenheit stürzen wollte? Burrus, der sie als Kampfgenosse der Agrippina verteidigen mußte?
Oder stand es vielleicht in den Sternen geschrieben, daß keiner von beiden für die Entwickelung der Dinge den Ausschlag gab? Für denjenigen, der solches vorausgesehen hätte, wäre die selbstbewußte, beinahe welthistorische Sicherheit in den Mienen des ungleichen Paares über alle Beschreibung komisch gewesen.
. . . So bewegte sich der festliche Kaiserzug langsam und feierlich über die Via Sacra, dem querquetulanischen Thore zu . . . Ein Blühen und Leuchten ging durch die Luft, ein Odem des Frühlings, als huldige selbst der allgütige Jupiter dem irdischen Abbild seiner unendlichen Herrschergewalt.
Siebentes Kapitel
Flavius Scevinus empfing die kaiserliche Familie und ihre Gefolgschaft am Vestibulum.
Während die Kaiserin-Mutter, den palla-verhüllten Arm ihrer Hofdame Acerronia berührend, stolz aus der Sänfte stieg, zogen die stämmigen Prätorianer langsam durch den bildergeschmückten Thürweg. Ohne die Rosengewinde, die sich – eine poetische Abmilderung – um die Helme und Speere flochten, hätte die Sache beinah den Eindruck einer kriegerischen Besetzung gemacht.
Als der greise Senator Flavius Scevinus über den ungewohnten Vorgang zu staunen schien, sagte sie lächelnd:
»Unsre Krieger sollen das Freudenfest, das du geplant hast, verschönern helfen. Nichts dünkt mir herrlicher und gewaltiger, als der harnischklirrende Ares zwischen den Blüten des Frühlings. Ich bitte dich, frei über die Mannschaften zu verfügen. Mische sie unter die Sklaven; gruppiere sie bei den Festspielen; stelle den Gästen, oder einigen, die du auszeichnen willst, Ehrenwachen, – ganz nach Belieben! Die Leute sind angewiesen, rückhaltslos zu gehorchen.«
Flavius Scevinus, von der meisterhaften Verstellungskunst Agrippinas ein wenig getäuscht, suchte sich einzureden, es handle sich in der That nur um eine huldvolle Aufmerksamkeit.
Bald jedoch zerfloß dieser Selbstbetrug. Um das üppig gerundete Kinn der Kaiserin spielte ein kaum bemerkbares Zucken, ein Flimmern der Ironie, und Flavius erkannte nun, was er gleich von Anfange an hätte voraussetzen dürfen.
Agrippina, durch zahlreiche Späher bedient, wußte, daß Flavius Scevinus ein ausgesprochener Feind ihrer Herrschergelüste war, daß er sogar mit andern hervorragenden Senatoren, wie Barea Soranus, Piso und Thrasea Pätus mehrfach über die Mittel und Wege verhandelt hatte, ihren übermächtigen Einfluß zu brechen.
Da sie selbst nun in der starren Verteidigung ihrer Stellung vor keinem Frevel zurückschrecken würde – ihre Vergangenheit, die nur noch für Claudius Nero und dessen Gemahlin Geheimnis war, bürgte dafür – so gewärtigte sie von den Gegnern die nämliche »Bündigkeit« der Entschlüsse. Wenn sie denn wirklich hier die Höhle des Löwen Flavius betreten mußte, so wünschte sie die Gewißheit einer heilen Zurückkunft.
Während sich Agrippina jetzt zu Metella, der Gattin des Flavius Scevinus, wandte, und sich, voll von jener majestätischen Gönnerschaft, die ihr eigen war, nach dem Befinden der Edeldame erkundigte, begrüßte der Hausherr den Imperator und die jugendliche Octavia.
Es war Sitte, daß der römische Cäsar die Senatoren bei solcher Gelegenheit küßte. Nero jedoch wußte dieser bedeutungslosen Zeremonie eine Innigkeit aufzuprägen, die allem Volke verkündete. »Diesen Mann verehre ich wie ein
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