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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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abgeschmackte Rücksicht auf die Gesellschaft, ich würde mich ohne weiteres erheben, ihm die Hände sanft auf die Schulter legen, und . . . und . . . und ihm Trost einsprechen.«
    »So? Und was würdest du sagen?«
    »›Cäsar,‹ würde ich sagen, ›was kränkt dir das Herz? Warum lachst du nicht? Weshalb ziehst du die Stirne in Falten? Schau um dich her! Jugend, Anmut und Schönheit umleuchten dich! Genieße mit uns, was die flüchtige Stunde beut! Sei ein Mensch unter Menschen!‹ So würde ich sprechen, – schmeichlerisch und so recht aus der Seele heraus; – und wenn er mich hörte, käm' er doch vielleicht auf den Gedanken, es sei klüger, sich den Weg bis ins ewige Dunkel mit Rosen zu überstreuen, als auf die Dutzendphrasen seines Ministers zu hören, und bei so wundervoller Musik dreinzuschauen wie ein Verurteilter!«
    Der Agrigentiner lachte.
    »Das wäre ein echter Geniestreich, höchst würdig unsrer liebenswerten Poppäa! So verachte doch die Gesellschaft und ihre thörichten Redereien! Geh und versuch's!«
    »Das ist leichter gesagt als ausgeführt. Du rechnest ohne den Ingrimm meines Gemahls. Otho würde mich kreuzigen . . . Ueberhaupt, – ich bitte dich, goldner Sophonius, neige dein salbenduftiges Haupt nicht gar zu eifrig zu mir herüber! Ich bemerkte soeben, wie Salvius Otho mir seinen balearischen Kampfblick zuwarf . . . Du verstehst mich doch? Einen Blick von der Wucht einer balearischen Bleikugel! Jüngsthin schon, im Hause des Piso, fand er, daß du mir gar zu tief in die Augen schautest. Und du weißt doch, daß ich dir nur erlaubt habe, mir als Bruder und Freund zu huldigen.«
    Tigellinus krauste die Stirne.
    »Ich entsinne mich,« sagte er spöttisch. »Vergieb mir, daß ich's für Augenblicke vergessen konnte. Du warst so . . . lebhaft eben, da du von Claudius Nero sprachst. Freilich, dem philosophischen Imperator, den du bekehren möchtest, ihm würdest du mehr gestatten als dem unbedeutenden Agrigentiner . . . Ich begreife das vollständig. Jedem nach Rang und Verdienst!« –
    »So? Was gibt dir ein Recht zu dieser schlimmen Bemerkung? Hüte die Zunge, du Ausbund aller Verderbtheit! Man ist ja leider gewöhnt, dir vieles zu gute zu halten – aber nicht alles!«
    Sie heftete wieder die halbverschämten Blicke auf Nero, seufzte, und fuhr dann schwärmerisch wie im Selbstgespräch fort: »So unterscheidet sich die Unschuld von der Entartung. Drei oder viermal im Leben hat der Cäsar mit mir geredet: aber wenn er auch zehnmal so lange mit mir vertraut wäre, als dieser entsetzliche Tigellinus, er würde doch niemals – des bin ich gewiß – einen so ungezogenen Ton wagen. Er achtet, er fühlt, er begreift. Er ist ein Gott, wo ihr andern insgesamt nur zerbrechliche, staubüberqualmte Menschen seid!«
    Nero inzwischen war mit jeder Minute stiller und ernster geworden. Er hörte nichts mehr von dem würdevollen Gespräche Octavias mit Thrasea Pätus. Nur Tonwellen ohne Sinn und Verstand murmelten um ihn her, klanglos, abgedämpft, wie aus unendlicher Ferne. Seine Gedanken weilten wieder bei jenem Tage, da er den Freigelassenen Artemidorus begnadigt hatte. Er sah im Geiste das entzückende Mädchen mit dem herrlichen Blondhaar und den lichtblauen Augen. Er hörte, wie sie mit ihrer herzbewegenden Stimme sein Mitleid anflehte. Ja, sie war es, die Einzige, Unvergleichliche. Da kniete sie vor der palatinischen Sänfte, und hob die schneeigen Arme empor – er hätte sie malen können! Und nun plötzlich zerfloß dies wunderliebliche Bild, – und ein schöneres, wonnesameres tauchte vor seiner Seele empor, – ach, die einzige Stunde, da er wahrhaft glücklich gewesen! Er stand im Zelte des ägyptischen Zauberers, Acte ihm gegenüber, – und die nämliche Stimme drang ihm tiefer noch und verführerischer ins leidenschaftlich pochende Herz.
    Acte! Unsäglich geliebte Acte! Warum verschwandest du wie du kamst, – flüchtig, eine Blume des Lenzes, ein verschwimmender Lufthauch, der schon dahin ist, wenn er uns kaum erst die fieberglühende Stirn berührt hat?
    Sonderbar! In diesem Augenblick ward ihm zu Mute, als sei die Lösung des Rätsels endgültig aufgedeckt. Vor ihm war sie geflohen – aus Liebe zu ihm, nicht aus Liebe zu einem andern. Sie hatte gefühlt, daß auch er sie vergötterte; sie wollte vermeiden, was sie voraussah: den furchtbaren Kampf.
    Er schaute nach der jenseitigen Tafel hinüber, wo die Kaiserin-Mutter den Ehrenplatz inne hatte.
    Ja, die

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