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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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belagert, dennoch immer und immer wieder nach seiner reizenden Gattin Poppäa Sabina hinüberlugte!
    Ferne von ihm, an der Tafel der Kaiserin-Mutter, lehnte sie neben dem höchst gefährlichen Tigellinus!
    Bei allen Göttern, ein entzückendes Weib, diese Poppäa Sabina mit ihren sanft verschwimmenden Augen und der liebenswürdigen Art, ihr blumengeschmücktes Köpfchen nach rechts zu neigen! Otho mußte in ihrem Vollbesitz das überschwenglichste Glück empfinden, und dieses Glück erklärte auch seine Eifersucht. Je teurer das Kleinod, desto vernunftgemäßer die Sorge um seine Verwahrung.
    Sophonius Tigellinus mußte ihr jetzt eine scharfgewürzte Bemerkung zugeraunt haben. Poppäa Sabina blinzelte wie ein schalkhafter Satyr unter den Wimpern hervor, kämpfte ein wenig und lachte dann mit den perlweißen Zähnen so herzlich, daß ihrem angstbeklommenen Eheherrn Salvius Otho alles Blut in die Schläfe stieg.
    Nero hatte das schöne, lachende Weib fast wie im Halbschlaf beobachtet. Jetzt verweilte sein Blick etwas gedankenvoller auf ihrem Antlitz.
    In zwei Jahrzehnten würde der schwellende Mund dieser Poppäa Sabina von abscheulichen Furchen umrahmt, ihr strahlendes Auge gerötet, ihre blühenden Wangen verdorrt sein, schier wie das Antlitz des philosophischen Staatsministers . . .
    Aber sie konnte sich dann doch sagen: ›Ich habe genossen, was dies vergängliche Leben mir darbot! Ich habe den Becher geschlürft, eh' mir ein widriges Schicksal ihn umstürzte! Ich habe nicht Qual erduldet um einer sogenannten Idee willen!‹
    Es war, als ob die Gedanken des Imperators geheimnisvoll strömend die Seele Poppäas berührt hätten. Sie, die bis dahin gänzlich unter dem Banne des Tigellinus gestanden, schaute jetzt plötzlich zu Claudius Nero hinüber und so begegnete sie seinem traurig sinnenden Blick.
    Poppäa Sabina errötete heftiger, als zuvor ihr Gemahl. Ihr ganzes Haupt, ihre Kehle, ja selbst ihre Schultern leuchteten wie in Purpur getaucht. Da sie erwog, daß Claudius Nero dieses Erröten bemerken mußte, ward sie vollends dermaßen verwirrt, daß Tigellinus ihr zuraunte: »Herrin, was gibt's? Fühlt sich die schöne Poppäa nicht wohl?«
    Sie faßte sich rasch.
    »Das ewige Lachen ist mir zu Kopf gestiegen,« sagte sie scherzend.
    »O, ich verstehe den Vorwurf,« gab Tigellinus zurück. »Aber siehst du, vieledle Poppäa, mein Beruf wird nachgerade so ernst, so pathetisch und würdevoll, daß ich mich ab und zu einmal austoben muß. Im Verkehr mit dem Cäsar ist das Lachen neuerdings eine recht seltene Ware. Wenn's noch lange so währt, dann verschlingt mich der Abgrund der Melancholie, – oder ich werfe mich auf die Stoa.«
    »Das klingt außerordentlich komisch.«
    »Meinst du? Aber ich rede die Wahrheit. Ich merke, wie ich seelisch verknöchere. So nutze ich's denn nach Möglichkeit aus, wenn mir der Zufall die Gelegenheit bietet, einer so reizenden Epikuräerin, wie Poppäa, hilfreiche Hand zu leisten in der Betätigung ihrer Lebensweisheit.«
    »Ich eine Epikuräerin? Nun ja, wenn du willst . . .! Weshalb sollte ich nicht? Ist dies entschwindende Leben nicht kurz genug? Lohnt es, den Kopf zu hängen? Das Trübe noch trüber zu malen? Ein Jammer um euren Cäsar, daß er sich so von Seneca in die Wüste verbannen läßt! So jung ist Nero und so geschaffen zum Glücklichsein! Sieh doch nur: diese nachtschwarzen Augen! Sind sie nicht himmlisch?«
    »Welche Begeisterung! Dächtest du halb so günstig von mir, – beim Zeus, vor Wonne und Seligkeit würde ich närrisch werden!«
    »Heuchle nicht!« sagte Poppäa. »Du, der Gefeierte, der allein hier im Cavädium zwölf oder zwanzig angenehme Erinnerungen zählt! Du, dessen reizvolle Abenteuer bis in das fernste Hispanien und Lusitanien berühmt, oder besser: berüchtigt sind . . .! Aber lassen wir dies verfängliche Thema! Folge lieber dem Rat einer Freundin – denn das bin ich, trotz allem und allem . . .«
    »Sehr verbunden! Also was rätst du mir?«
    »Dem Staatsminister und seinem philosophischen Unsinn gründlich entgegenzuwirken.«
    »Wie soll ich das anfangen?«
    »Lächerlich! Mache dem Kaiser begreiflich, daß man ein großer Regent, ein gewaltiger Denker, ein glorreicher Volksbeglücker und dennoch ein ganz vernünftiger Mensch sein kann! Sieh nur, jetzt breitet sich über sein Antlitz wiederum jener seltsame Schleier von Traurigkeit, den ich vorhin schon ein paarmal beobachtet habe. Wahrlich, wenn die Sitte nicht wäre, und die

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