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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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unerbittliche Agrippina würde sein Herz verdammt haben!
    Eine Freigelassene, eine ehemalige Sklavin!
    Kaum als Liebchen hätte sie ihm die Niedriggeborene gegönnt: wieviel weniger als Gemahlin!
    Freilich, Acte konnte nicht wissen,
was
er um sie gewagt haben würde; wie ihm kein Opfer zu kostbar, kein Zwist zu schrecklich gewesen wäre, wenn sie ihm als Siegespreis vor den Augen schwebte.
    Die Thörin! Weshalb nur entwich sie mit jenem orakelhaften »Lebt alle wohl!« . . .? Eine Zeile der Aufklärung, ein einziges ehrliches Wort, und alles wäre vielleicht noch gut geworden.
    Er sann und sann, und verfiel dann wieder in die seltsamsten Zweifel. Nicodemus, der grübelnde Nazarener, hatte beteuert, daß Acte ihm eine Sphinx sei mit ihrer völlig unbegründeten Flucht. Wenn der selbst nicht einmal klar sah, der sie doch kannte von Anbeginn . . .! Es war und blieb für den trauernden Imperator ein unheimlich-drückendes Phänomen. Er fühlte nur eines: daß ihm die ganze unermeßliche Welt gleichgültig war – bis auf die eine weh- und lusterfüllte Erinnerung.
    Welch ein trostloses Schicksal! Welche Zerrissenheit! Hätte er Acte zur Seite gehabt statt des Weibes, das ihn so gar nicht verstand, das bei aller Herzensgüte sein tiefstes Fühlen beleidigte – wie wäre das göttliche Werk seiner Regierung gediehen! Wie hätte das Glück und die Liebe ihn zu Thaten begeistert, die er jetzt nur mit Hilfe der kalten Lehrsätze seines Ministers und der phantastischen Winke des Nicodemus mühe- und qualvoll zu leisten strebte!
    Ja, er hätte gesiegt! Er wäre der ewig-unsterbliche Schöpfer einer ruhmreichen Aera menschlicher Freiheit und Brüderlichkeit geworden! Der Himmel der Nazarener mit seiner friedvoll-klaren Versöhnung ward ja Wirklichkeit in den Augen der blonden Acte!
    Nero preßte die Hand wider die Brauen.
    Er, der Erste unter den Römern, der Herrscher über das weite, gewaltige Reich von den Säulen des Herkules bis zum fernsten Mesopotamien, er, angebetet von seinem Volke, reicher als der König von Lydien, jung, voll heimlich tobender Lebenskraft, von Begierde erfüllt nach allem Guten, Edlen und Schönen – wie war er arm und einsam auf seinem weltüberstrahlenden Hochsitz! Einsam und öde zum Herzbrechen!
    Eine unerwartete Stille schreckte ihn aus seinen Betrachtungen auf.
    Der fröhliche Lärm, der rings das blumengeschmückte Cavädium erfüllte, war plötzlich verstummt.
    Flavius Scevinus, den rosenumwundenen Becher hoch in der Rechten, brachte den Trinkspruch aus auf Nero den Allgeliebten, den Hehren, den Glücklichen.
    In artiger Wendung flocht er Octavia und die Kaiserin-Mutter in diesen Trinkspruch mit ein, um dann wieder ausschließlich zu der erhabenen Person des Kaisers zurückzukehren, und jeden Segen der Götter aus das teure, jugendstrahlende Haupt hernieder zu flehen.
    Stürmischer Jubel folgte dem oratorischen Meisterstück.
    Ganz besonders hatte die Stelle gezündet: ›Nero, Octavia, und
nächst ihnen
die edle Mutter, die einen Princeps von so vortrefflichen Eigenschaften herangebildet.‹
    Dieses ›nächst ihnen‹ bedünkte den Anhängern des Scevinus, die sämtlich der Kaiserin-Mutter feindlich gesinnt waren, geradezu mustergültig.
    Man fühlte hier die kaum noch verhüllte Mahnung an die Festversammlung und das ganze mitauflauschende Rom heraus, die Gegner der Agrippina wirksam zu unterstützen, und Nero von dem übermäßigen Einfluß des ehrsüchtigen und tyrannischen Weibes zu lösen.
    Gleichzeitig war es nach langer Pause der erste deutliche Wink an die Adresse der Fürstin, freiwillig zu entsagen, und dem römischen Volk auf die Dauer nicht zuzumuten, was unerträglich schien.
    Gerade jetzt hatte der Wink einen besonderen Zweck.
    Zu Anfang der nächsten Woche stand eine wichtige politische Beratung im Senate bevor.
    Es handelte sich um eine Streitigkeit mit dem germanischen Nachbarvolke der Chatten. Der Zwist konnte gar leicht eine Kriegserklärung herbeiführen, obschon der römische Festungsverwalter im Kastell von Moguntia alles angestrengt hatte, um den berechtigten Forderungen der Chatten thunlichst entgegenzukommen.
    Man hoffte nun, Agrippina werde sich aus der offenherzigen Wendung des Flavius den Wunsch herauslesen, daß der Kaiser allein und ohne ihre Bevormundung in der Sitzung erscheine.
    Der Trinkspruch und die jubelnden Ave-Rufe waren verklungen. Agrippina lächelte mit Aufbietung all ihrer Selbstbeherrschung. Ihre Augen zwar sprühten unheimliche Flammen des

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