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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Entschwundenen, während doch andre, ebenso Schöne oder noch Schönere rings um dich her blühen, wie Rosen, die auf den Gärtner warten? Weshalb klammert sich deine Sehnsucht an die ehemalige Sklavin, während Octavia, deren edles Profil sämtliche Bildner der Siebenhügelstadt für göttlich erklären, deine Genossin ist?‹
    Selbst die Rhodierin Chloris, die ihm die Seele so von Grund aus erschüttert hatte, war, streng genommen, schöner als Acte.
    Und dennoch hatte der Cäsar kein Auge für sie. Die magische Wunderkraft ihrer Kunst war für ihn nur der Hebel gewesen, der alle Einzelheiten der schmerzlich süßen Erinnerung mit verzehnfachter Klarheit ans Licht gehoben.
    Nero konnte nicht anders. Er mußte den Glanz und den betäubenden Lärm dieser Geselligkeit fliehen; er mußte erst fertig werden mit diesem verzehrenden Sturm, der heute mit unaufhörlichem Anprall wider sein Herz tobte.
    Alle Gäste hätten's ihm angesehen; sie hätten die Thränen geschaut, die ihm jetzt stumm über die zuckenden Wangen dahinperlten, – und das durfte nicht sein. Er war Cäsar; er mußte standhalten nicht nur wider die Parther oder die Chatten, sondern auch wider das eigene Ich und dessen heiße, bethörende Anwandlungen.
    Leise rauschte der Wind durch die Baumwipfel. Das klang wie ein Wiegenlied. Da sollten sie bald wohl entschlummern, die schäumenden Wogen, die jetzt wie im tollen Gerase eines Orkans ihm den Busen durchtobten.
    Komm, heilige, friedenspendende Nacht! Schlage den schattenden Mantel um das Weh deines Lieblings! Gib ihm den Frieden, wenn ihm das Glück denn verweigert ist!
     

Neuntes Kapitel
     
    Ehe sich Claudius Nero dessen versah, schritt er völlig vereinsamt durch das dunkle Gesträuch.
    Das erste Mondviertel goß ein mattsilbernes Licht über den kiesbeschütteten Weg, da hier die hochaufragenden Urstämme des Gartens weiter zurücktraten.
    Plötzlich schreckte der Kaiser zusammen. Dicht hinter den Lorbeerbüschen, an denen er sinnend vorüberschritt, schien sich etwas zu regen, und da er nun stehen blieb, um zu lauschen, raschelte es wie von menschlichen Tritten, die sich den Weg durchs Gezweige bahnen.
    Claudius Nero war ohne Waffen, – und ein Monarch, wäre er auch der beste, hat immer geheime Gegner, die ihm von Grund ihrer Seele aus gram sind und kein Mittel zu seiner Bekämpfung scheuen. Dennoch empfand der cäsarische Jüngling, im Bewußtsein, allenthalben das Gute gewollt zu haben und mehr noch vielleicht aus dem Hochgefühl seiner mannhaft strotzenden Kraft heraus, keine Spur von Beklommenheit.
    »Halt!« rief er mit drohend gedämpfter Stimme ins Dickicht, während die Rechte den silbernen Griffel seiner Tabellä umspannte, – »wer du auch seist, ich befehle dir, frei heraus auf den Pfad zu treten, – ich, dein Kaiser!«
    In dem Lorbeergesträuch regte sich nichts.
    »Hast du gehört?« mahnte der Princeps. »Widerstrebe mir nicht! Ein einziger Kampfschrei, – und die Soldaten der Leibwache hetzen dich, wie ein umstelltes Wild!«
    »Allwaltender Cäsar,« flüsterte eine bebende Mädchenstimme, »grolle mir nicht, wenn ich zögerte . . .!«
    »Acte! du! du!« jauchzte der Jüngling im Tone einer schwindelnden Seligkeit . . . »Du hier? Leibhaftig? Lebendig?«
    Ihre schlanke Gestalt löste sich vorsichtig aus den Zweigen. Im nächsten Moment hatte der Cäsar sie stürmisch umklammert. Er küßte sie leidenschaftlich auf den wonneverzückten Mund, immer und immer wieder, als müsse die eine Minute ihn schadlos halten für alles Weh der Vergangenheit.
    »Acte!« rief er dazwischen, »himmlische Acte, bist du es wirklich?«
    Seine Stimme klang wie verzaubert und doch so bange, als ob ihm das Ganze wie das Gaukelbild eines baldzerfließenden Traums erschiene.
    Eine Zeit lang duldete sie den tobenden Anprall seiner Liebkosungen schweigend und in süßer Erstarrung. Es war, als ob ihr jegliche Kraft eines Widerstandes dahin sänke.
    Dann freilich entzog sie ihm schamübergossen die Lippen; aber noch war die Willenslose nicht fähig, ganz und gar von ihm abzulassen. Sie lehnte das heißerglühende Haupt wider die Schulter des Einzigen, des Unendlich-Geliebten, dessen Bild sie all die Monate her mit der gleichen unverlöschlichen Sehnsucht im Herzen getragen, wie er das ihre.
    Nun senkten sich seine begehrlichen Lippen andachtsvoll auf ihr welliges Blondhaar, das im Mondlichte wie ein fließendes Durcheinander von Silber und Gold glänzte.
    Es war, als habe er nach verzweifelter

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