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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Wüstenwanderung endlich, endlich die Blume gefunden, deren Duft ihn berauschen, deren tauiger Blütenkelch ihm das Heil bringen sollte.
    Da plötzlich fuhr sie zurück.
    »Herr, du entehrst dich!« hauchte sie beinah verstört. »Weißt du auch, was du gethan hast? Du, der Princeps der Erde, hast eine ehemalige Sklavin geküßt!«
    »Ja, ja, ich habe Acte geküßt! Vom Kapitol herab möcht' ich's in alle Welt rufen. Ich bin glücklich gewesen, zum erstenmal, seitdem ich atme!«
    »Glücklich gewesen, – ist's wahr?« fragte sie leuchtenden Auges. »O, wie herrlich das klingt! Aber gleichviel!
Wenn
du es warst, so bist du's in Schmach und in Sündhaftigkeit gewesen. In Schmach, denn ich bin eine Freigelassene, und deiner nicht wert. In Sündhaftigkeit, denn Claudius Nero besitzt eine edle, hochherzige Gattin, deren Herz wohl in Stücke zerbräche, wenn sie erführe, wie treulos ihr Gemahl sie verrät.«
    »Octavia!« rief Nero voll unsäglicher Bitternis. »Ich habe sie nicht gewählt; ich habe dem Staatswohl und den Wünschen meiner Berater ein thörichtes Opfer gebracht. Aber siehe, ich schwöre dir: Niemals im Leben hätte ich eingewilligt, und wäre selbst Agrippina, meine erlauchte Mutter, in eigener Person vor mir in die Kniee gesunken, wenn ich gewußt hätte. wo ich die eine, die ich vergötterte, finden sollte! Acte, wie unablässig hab' ich nach dir geforscht! Wie rastlos haben meine Vertrauten ganz Rom durchwandert, um Kunde von dir zu gewinnen! Ach, wie oft selbst habe ich deinen Freund Artemidorus befragt! Alles umsonst! Sprich, wo warst du denn? Warum hast du's geschehen lassen, daß der Mann, der dich liebte, jede Hoffnung verlor und sich stumpfsinnig einem Schicksal preisgab, das jetzt kaum noch zu ändern ist?«
    »Cäsar, ich folgte der Stimme meines Gewissens. Da ich dir kaum erst in die Augen geblickt, fühlte ich, daß du mir Sinn und Seele hinweggenommen! Aber ich wußte zugleich, wie thöricht es ist, wenn die niedrige Feldblume zu der Sonne emporschaut, die unnahbar im Aether schwebt. Ich hatte dich schrecklich lieb, ganz über alle Maßen . . .«
    Noch einmal barg sie ihr Antlitz an seine Schulter. Dann sich würdig emporrichtend: »Du weißt, Herr, ich bin eine Christin. Unsre Lehre und die Pflichten, die sie uns auferlegt, hast du inzwischen durch Nicodemus und Seneca, deinen Berater, kennen gelernt. Als Christin mußte ich fliehen, denn wir beten alltäglich zu dem Gotte, den uns der Heiland gelehrt hat: ›Führe uns nicht in Versuchung!‹ Nicodemus hatte mir in dem Werk der Bekehrung, das meine Glaubensgenossen planten, eine gefahrvolle Rolle erteilt. Die Brüder und Schwestern, so hieß es, hätten mich lieber, als jede andre; meine Art sei bestrickend, meine Sprache beredt. Und so sollte ich denn dem zweifelnden Cäsar, der sich dem ernsten Mahnwort der Männer vielleicht verschließen würde, das Herz öffnen und es zugänglich machen für den Balsam des Glaubens. Ach, Herr, ich hatte von Anfang an das Gefühl, dieser Weg sei der falsche, und Nicodemus handle im Widerspruch mit dem frommen Erlöser, wenn er die weltlichen Dinge mit den Angelegenheiten des Glaubens vermische. Als ich nun vollends erfahren hatte, welch ein betäubender Zauber dir innewohnt, da stand es fest in mir wie ein heiliger Spruch der Propheten: Du mußt fort und gälte es Leben und Tod. Die eine selige Stunde im Zelt des Aegypters hatte mir klar gemacht, daß ich mich selber verlieren würde, – und so floh ich denn weit hinaus über die Grenze des Weichbildes, nordwärts bis nach Falerii, wo ich bei redlichen Pächtersleuten Unterkunft und Verdienst fand.«
    Claudius Nero sah ihr gedankenvoll in das mondscheinbestrahlte Antlitz.
    »Und wie kömmst du hierher?« fragte er nach langer Pause.
    Acte senkte den Blick auf die Tunica.
    »Herr, du siehst mich beschämt; aber auch dies noch darf ich bekennen. Seit acht Tagen weile ich in Rom. Eine vornehme Dame, die mich auf ihrer Reise durch das stille Falerii zufällig sah, fand Behagen an mir, – und da ich längst mich hinweggesehnt aus der Eintönigkeit dieses Lebens, so nahm ich den Vorschlag der reichen Sicilianerin dankerfüllt an, ihre Hausgenossin und Vorleserin zu werden. Ich begleitete sie hierher, wo sie mancherlei zu erledigen hatte. Morgen in aller Frühe geht die Fahrt über die appische Straße nach Capua.«
    »Das alles erklärt mir noch nicht, weshalb ich dich hier bei Flavius Scevinus im Park finde.«
    »Ahnst du das immer noch nicht?«

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