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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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weißt, ich vertraue dir, obgleich dies Vertrauen vielleicht eine Thorheit ist: denn ein Frauenherz gleicht dem Gewölk bei Südostwind; jeder Augenblick kann es umgestalten. Du aber, süße Poppäa, hast einen Blick, so sanft, so bethörend, daß man rein den Verstand verliert, und so begeh' ich die Absurdität, dich für unerschütterlich treu zu halten
    »Das nennt mein angebeteter Otho eine Absurdität?« sagte sie schalkhaft.
    Aus ihren funkelnden Augen fuhr ein so verzückender Strahl zu ihm auf, daß er kaum noch der Lockung, sie in die Arme zu schließen, Widerstand leistete.
    »Du süße, du üppige Rose,« flüsterte er, von heißester Liebe entbrannt, »sind wir nicht wahnsinnig, daß wir den herrlichen Abend so im Getümmel der Menschen verbringen, anstatt uns daheim in der wonnigen Stille unsres Cubiculums nach Herzenslust zu genießen? Ach, Poppäa, dein lächelnder Mund, dein schlanker, schneeiger Leib, –: so oft ich dich ansehe, gedenk' ich an Helena, die überall, wo sie sich zeigte, Stürme der Sehnsucht entfesselte . . .«
    »Ein übler Vergleich! Helena war ein loses Geschöpf . . .«
    »Du hast recht. Es war ein täppischer Mißgriff. Ich hätte sagen sollen: Du bist reizend wie Helena und treu wie Penelope. Aber ebendeshalb, mein Liebchen, meide doch auch den Schein! Ich kann's nicht ertragen, wenn du einen so übelbeleumdeten Menschen, wie den Agrigentiner, so verständnisvoll anblickst. Ich weiß, er ist liebenswürdig, er versteht es, zu schmeicheln und doch wieder eine Ehrfurcht zu zeigen, die ein Frauengemüt stolz macht. Um so leichter wird man vermuten, daß du gefesselt seist. Nicht wahr, du thust mir die Liebe an und vermeidest diesen Weiberverführer? Laß deine Anmut doch lieber auf Nero, den Imperator, wirken!«
    »Meinst du?« fragte Poppäa verblüfft.
    »In vollem Ernste. Suche ihn aufzuheitern! Bring' ihm Freude am leichten Getändel bei! Stich den Staatsminister, den schrecklichen Seneca, aus! Das wäre noch ein Verdienst!«
    Die junge Frau schüttelte, heftig erglühend, den Kopf. Dann senkte sie ihr lichtgraues Auge gedankenvoll auf den Busen. »Poppäa drängt sich nicht auf,« sagte sie traumverloren. »Wenn es dem Cäsar beifiele, an meiner Gesellschaft nur halb so viel Vergnügen zu finden als an der deinigen, weshalb sollte ich nicht diese Auszeichnung hochschätzen? So aber – ihn umschwärmen wie die Motte das Licht? Nein, vielteurer Otho, dazu bin ich zu stolz und . . . zu gleichgültig.«
    »Du vergissest, daß ich von jeher zu seinen Freunden gezählt, daß ich als Knabe ihn schon gekannt habe . . .«
    Horch! Da erscholl die silberhelle Kithara der schlanken Chloris aufs neue!
    Und jetzt gesellte sich dem Klange der Saiten auch der schwellende Ton ihrer Stimme.
    Alles Gemurmel verstummte.
    Sie sang märchenhaft schön, diese Griechin im krokusfarbenen Gewande, die rhodische Nachtigall, wie die goldene Jugend der Zweimillionenstadt sie benannt hatte.
    Und wie edel sie dastand, in der Rechten das Plektrum, in der Linken, vom blaßgelben Bande gehalten, das neunsaitige Instrument, blaßgelbe Rosen im nachtschwarzen, lieblichgewellten Haar, eine Gestalt aus den Tagen Homers!
    Es war, im Gegensatze zu der schmetternden Hymne, mit der sie begonnen hatte, ein melancholischer Klagegesang, was ihr jetzt von den Lippen erscholl, eine Weise der Sehnsucht, die Verlorenes beweint und ihre Thränen gleichsam in Töne verwandelt.
    Wunderbar, wie die Herrlichkeit des rein gestimmten Gesangs in diese Gesellschaft einschlug, die zur größeren Hälfte von der Verderbnis des Zeitalters völlig zersetzt war, die noch eben so übermütig gelacht, so verstohlen getändelt, so schnöde gescherzt und gefaselt hatte.
    Jener trunkene Senator mit dem widerwärtigen Faungesicht, der zwar im Kreise der hohen Versammlung auf dem kapitolinischen Hügel fast bei jeder Gelegenheit zur Scheu vor den unsterblichen Göttern mahnte, aber jetzt eben seiner vierzehnjährigen Nichte, deren Vormund er war, den frechsten Antrag ins Ohr geflüstert; der mit dem klassischen Vorbild aller Beredsamkeit unaufhörlich »O Sitten!« rief, aber das Kind seiner Schwester seit Jahren bereits mit ekelhaften Küssen verfolgte und ihre blühenden Lippen mit seiner dicken, belegten Zunge viehisch entweiht hatte: – er verstummte jetzt inmitten seiner lüsternen Phrase und sank stöhnend zurück, als höre er ein erschütterndes Mahnwort aus den Höhen des Olympus.
    Hier die rotgemalte Kokette, die heute

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