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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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flüsterte Acte verschämt. »Ich wußte durch Artemidorus, daß du, Herr, heute bei Flavius Scevinus zu Gast sein würdest. Artemidorus hat mir das Pförtchen geöffnet, das von der Höhe des Hügels herein führt. Seit einer Stunde schon schlich ich umher, bald hervortretend, bald mich verbergend. Noch einmal im Leben wollt' ich das Antlitz meines Gebieters schau'n, eh' ich für immer hinausginge ins Leere und Trostlose.«
    »Artemidorus wußte also um deinen Aufenthalt?« fragte der Kaiser staunend.
    »Ja, Herr! Ich bin lange mit ihm befreundet; sein Gebieter Flavius Scevinus hat zweimal die heiße Jahreszeit am Gestade von Ostia verbracht, wo auch Nicodemus ein Haus besaß. Ich wußte, Artemidorus würde in Sorge sein um die plötzlich entschwundene Acte, – weit mehr als die übrigen. So schrieb ich ihm denn, daß es mir wohl ergehe, und einmal sogar, als er für seinen Herrn etwas in Cures zu thun hatte, nahm er den Umweg über Falerii und besuchte mich.«
    »So also lohnt er mir's, daß ich ihn damals vom Tod errettet!« rief Nero voll Bitternis. »Zehnmal hab' ich gefragt: ›Wo ist Acte?‹ und zehnmal beteuerte er, nichts, gar nichts zu wissen.«
    »Er hatte mir Schweigen gelobt, – ach, und er kannte ja meine Gründe.«
    »Er ist ein Schurke. Dem Imperator, der ihn befreit hatte, schuldete er die Wahrheit. Wenn ich bedenke, was ich durch ihn und seine Lüge verloren habe, – ich könnte ihn eigenhändig erdrosseln.«
    Der junge Fürst stand hoch aufgerichtet. Wie Wetterleuchten zuckte es um den blühenden Mund. Die ganze Qual dieser letzten Wochen, das Weh um seine zertrümmerte Liebe, das wühlende Mißbehagen über die Aufgabe, die ihm zugefallen: von Menschen und Prinzipien geknechtet, den Herrscher zu spielen, und insgeheim einen Glauben zu fördern, der ihm jetzt, in der Gestalt des Nicodemus verkörpert, fast antipathisch erschien, – dies alles wogte, wallte und tobte in seiner keuchenden Brust wie eine drohende Rebellion.
    Was war das für eine fromme Gemeinde, die ihm Last um Last auf die Schultern wälzte, die in elender Gaukelei ein Geschöpf wie Acte zum Werkzeug schnöder Intriguen machte?
    Er kannte ja nicht die stillen, demuterfüllten Christen, die sich andachtsfroh um ihre Aeltesten scharten, um das Wort und den Wandel des Gekreuzigten zu erfahren; wie er Blinde geheilt und den Trauernden Trost gespendet, und was er am Berg gesprochen, oder als Knabe im Tempel unter den Schriftgelehrten . . . Der Cäsar dachte jetzt nur an den schlauen, hohläugigen Fanatiker, der die Lehre zu predigen schien: alles auch das Verwerflichste sei gestattet um des erhabenen Zwecks willen.
    So schroff zerklüftet war die Seele des Imperators, daß er beiden mit gleicher Aufgeregtheit Vorwürfe machte, dem Artemidorus für die brüderliche Beschirmung, dem Nicodemus für die gewissenlose Gefährdung des jungen Mädchens.
    Er durchwühlte sein volles Haar, daß die halbentblätterten Rosengewinde sich lösten, und über die Schultern hinab in das taufeuchte Gras fielen.
    Dann plötzlich ergriff er mit sanfter Zärtlichkeit Actes zierliche, weiche Hand.
    »Laß uns vergessen, was wir gelitten haben!« sagte er aufatmend. – »Um mich noch einmal zu schauen, bist du hierher gekommen: du liebst mich, heute wie damals, – und bei allem, was heilig ist, das Schicksal soll mich bestrafen, wenn ich die glücklich Wiedergefundene je wieder frei gebe! Siehst du nicht ein, Acte, daß es die Moira, oder mit dir zu reden, die Vorsehung selber ist, die uns zusammenführt, gerade jetzt, – unmittelbar vor der Stunde des Abschieds, den du liebliche Thörin für möglich hieltst? Laß dich umklammern, du Einzige, die da im stande ist, meiner Seele den Frieden zu geben! Acte, ewig geliebte Acte, willst du mein eigen sein voll und ganz, mit Leib und mit Seele? Wenn du willst, so gelob' ich dir Treue bis in den Tod. Mit dir will ich leben und mit dir will ich sterben. An deiner Seite will ich die Hände zu deiner Gottheit emporheben. Ich will glauben, – glauben so gut ich kann, daß Christus gestorben ist zur Erlösung der Menschheit. Das Symbol dieses Glaubens soll sich allenthalben erheben, wo die Cäsarenfaust noch die Kraft besitzt, die Altäre des Jupiters und des übrigen Göttergesindels über den Haufen zu stoßen. Das Weltreich soll nächst mir dem Galiläer gehorchen, und du, als die Erkorene des Imperators, wirst hoch über den ungezählten Scharen deiner Gemeinde thronen, hoch und herrlich wie kein irdisches

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