Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
Vom Netzwerk:
Richtung der kleinen Parkthüre, während Nero sich die Toga über die Schultern warf und eilig dem Festplatz zuschritt, dessen rauschender Lärm immer voller und lauter zu ihm herüber drang.
     

Zehntes Kapitel
     
    Ein Gladiatorenkampf, der die weinerregten Gemüter des Publikums zu heller Begeisterung entflammt hatte, neigte sich, da Claudius Nero den Festplatz wieder betrat, soeben dem Ende zu.
    Aus mehreren Wunden blutend, war der eine der Fechter in die Kniee gesunken; sein zerbrochenes Schwert lag einige Schritte abseits im Sand der Rotunde. Fragend blickte der Sieger umher, und ließ dann die Blicke auf dem Hochsitz der Imperatorenfamilie haften, um von den Lippen der Kaiserin-Mutter den Spruch zu empfangen, der über Leben und Tod seines entwaffneten Gegners beschließen sollte.
    Agrippina, obschon die rotgelockte Hispanierin Acerronia ihr heimlich zuredete, lehnte die ihr angetragene Entscheidung ab, – denn sie sei hier ja Gast so gut wie die andern – und wies den Fechter mit einer vornehm-kühlen Gebärde an die übrigen Sitzreihen.
    Der Uebermut der entnervten Jünglinge und der herzlos-öden Koketten wünschte den Kelch dieser blutigen Scene bis zur Neige zu kosten.
    Ueberall senkte man weitstarrenden Auges den Daumen.
    Das hieß verdolmetscht: »Erspare dem Flavius Scevinus die Kurkosten! Vorwärts! Den Todesstoß!«
    Ein letztes Zögern: dann senkte sich die Klinge des Siegers breit in die Brust seines Opfers. Ein dunkler Blutstrahl zischte rauchend zum Himmel auf . . .
    Da, inmitten der weithin dröhnenden Beifallsrufe, erschien der Cäsar.
    Hehren Angesichts wie Apoll schritt er die Stufen hinauf zur Tribüne, wo er zwischen Octavia und Agrippina Platz nahm.
    »Das hättest du hindern sollen,« wandte sich Nero zu seiner Mutter. »Oder du zum wenigsten, edle Octavia, die man die Sanfte nennt. – Freilich, eine Römerin von der Sohle zum Scheitel, bist du auch abgehärtet gegen die Gräuel des Sterbens. Ich begreife das und ich füge mich. Heute nur, heute . . . ich weiß nicht, – aber das Fest war so schön, so harmonisch, – ihr hättet euch sträuben sollen, diesen glückseligen Tag durch einen Mord zu entweihen.«
    »Mord?« fragte Agrippina erstaunt.
    »Ja, Mord,« wiederholte der Cäsar; »denn so gesetzlich er ist, es bleibt immer ein erbärmlicher Mord. Hörtest du nie die Meinung des Seneca? Auch der edle Flavius Scevinus gehorcht hier lediglich den Pflichten des Gastgebers, nicht seinem eigenen Gefühl, wenn er dem grausamen Zeitgeschmack willfährig scheint. Im Herzen aber teilt er die Ansicht meines unsterblichen Lehrers.«
    »Die Gladiatorenkämpfe sind ein Vermächtnis der Ahnen,« versetzte Octavia. »Cicero selber, der doch so gut ein Philosoph war, wie Seneca, hielt sie für die geeignetste Schule männlicher Tapferkeit. Wie käme es mir zu, dem Willen und den Gewohnheiten des Römervolkes zu widerstreben?«
    »Das dächte ich auch!« sagte die Kaiserin-Mutter mit großem Nachdruck. Ihre Stimmung war geradezu grimmig. Der dreiste Trinkspruch des Hausherrn tobte ihr jetzt, da Flavius Scevinus ihr offen als Muster ethischer Lebensführung gepriesen wurde, doppelt heiß durch die Adern.
    »Mutter,« wandte sich Nero wieder zu Agrippina, während zwei Sklaven den sterbenden Thraker hinausschafften, »rede, was hast du? Mißfiel dir, was ich doch aus heiligster Ueberzeugung zu Octavia gesprochen? Du schaust so ernst, so verdrossen aus. Ach, und ich bin so froh, so glückselig, so ganz durchflutet von Festeswonne und Lebenslust, daß ich dem Tod gebieterisch in den Weg treten möchte! Mutter, ich weiß, der Trinkspruch des Flavius Scevinus hat dir wehe gethan. So fein er gedrechselt war, die Spitze umschloß dennoch ein schleichendes Gift . . . Sieh, Mutter, eine beträchtliche Anzahl der Senatoren und die Mehrheit des römischen Volkes wünscht, daß ich das Scepter des römischen Imperators allein trage, aber Nero fühlt zur Genüge, wem er den Thron verdankt. Du sollst die Herrin bleiben über das Reich, falls du mit echter Milde regierst und ohne Verletzung der Staatsgesetze. Nur im kleinen wirst du mir nachgeben, nur im Spiel, während der Ernst dein unumschränktes Gebiet sei. Ich bin nicht ehrgeizig, Mutter. Ich lasse mich nicht verführen durch die Mahnrufe derer, die dich verdrängen wollen.«
    Noch ehe ihm Agrippina etwas erwidern konnte, scholl aus dem mächtigen Piniengang, unmittelbar hinter dem Festplatz, ein hallender Hilferuf.
    Alles sprang von den Sitzen

Weitere Kostenlose Bücher