Nero
auf.
Die Prätorianer voran, stürmte man in die breite Allee, wo Flavius Scevinus, auf den Arm der schönen Poppäa Sabina gestützt, langsam heranschwankte.
»Mord! Mord!« rief Poppäa mit ihrer dunkeltönigen Stimme. »Welch ein Zeitalter! Nicht mehr im eigenen Hause verschont man den Festgeber!«
Im Augenblicke war Nero auf der andern Seite des wackeren Senators und legte ihm wie beschirmend die rechte Hand weithinumklammernd über die Hüfte. So streifte er den Arm der Poppäa, die trotz der Aufregung des Moments bei dieser Berührung eigentümlich zusammenzuckte. Es war, als wolle sie den Kaiser empfinden lassen, wie gewaltig er auf sie wirke.
»Sprich, wie geschah es?« fragte Nero besorgt. »Und vor allem: wie fühlst du dich?«
»Für diesmal scheint die Sache noch leidlich abgelaufen zu sein,« scherzte Flavius Scevinus. »Ich wandle hier mit der Gattin des Otho und verabsäume, von ihrem anmutreichen Geplauder bestrickt, meine Pflichten als Hausherr. Da raschelt es im Gebüsch. Ich denke, es ist ein Raubvogel: aber noch eh' ich das ausgedacht, trifft's mich hier rechts auf der Schulter. ›Oho!‹ ruf' ich und wende mich um. Da verschwindet's schon wieder, und ich merke nur, wie mir das warme Blut über den Rücken fließt.«
»Prätorianer! Umzingelt den Park und das Haus!« rief Agrippina gebieterisch. »Die Mauer ist hoch, die Ausgänge sämtlich geschlossen. Der elende Missethäter soll uns mit heiler Haut nicht davonkommen!«
»Fackeln her!« gebot Tigellinus, während Nero und die schöne Poppäa den blutüberströmten Flavius Scevinus nach dem Cubiculum führten.
»Vergebliche Mühe!« rief der Verwundete mit einem seltsamen Blick auf die Kaiserin-Mutter. »Solche Meuchelmörder sind schlau, über die Maßen schlau, und sie haben das Glück, daß unsre Erbitterung sie stets in der falschen Richtung verfolgt.«
Im Cubiculum angelangt, wandte sich Nero an den ängstlich dastehenden Artemidorus.
»Hilf mir,« sprach er, »deinen Gebieter aufs Lager heben!«
»Durchlauchtigster Kaiser,« versetzte der Freigelassene, »siehe, hier stehen Leute genug, darunter die Aerzte. Der edle Scevinus würde es niemals verzeihen, wenn ich's geschehen ließe . . .«
»Schweig!« unterbrach ihn Scevinus barsch. »Thu, was Nero, der Imperator, gebietet! Er ist der Herr, er allein, dem ihr Gehorsam schuldet, und geböte er euch, – seine eigene Mutter in Haft zu nehmen.«
Claudius Nero wechselte mit der schönen Poppäa einen Blick des Erstaunens, der sich ihrerseits sofort in den schmachtenden Augenaufschlag der Minne verwandelte.
Danach hob der Kaiser mit kaum bemerkbarer Kraftanstrengung den Oberkörper des breitschulterigen Mannes auf die eherne Bettstatt, während Artemidorus die Kniee des Patienten umspannt hatte, und so gemeinschaftlich mit dem Beherrscher des Weltreichs den Dienst eines Krankenträgers versah.
Zurücktretend gewahrte Nero, daß seine schneeige Toga über und über mit Blut getränkt war.
Eine sonderbare Empfindung beschlich ihn.
Blut an dem Tage, der ihn mit seiner heißgeliebten Acte zusammengeführt – das bedeutete Unheil.
Zwar widerstrebte er diesem Eindruck.
»Thorheit!« sagte er zu sich selbst. »Nero glaubt ebensowenig an die Ammengeschichten der Wahrsager, wie an die zärtlichen Abenteuer des Jupiter. Ich selbst werde nun Jupiter sein in den Armen meines bezaubernden Liebchens, und die Regierung der Erde den Verblendeten überlassen, die im Kampf um die Herrschaft das Glück dieses vergänglichen Lebens erblicken.«
Die Wunde des Flavius Scevinus schien nicht gefährlich. Der Dolchstoß, in rasender Ueberstürzung ausgeführt, war zu weit links gegangen.
Der Hausarzt Polyhymnius legte einen kunstgerechten Verband an und ließ dem Erschöpften aus schneekühlem Wasser und Fruchtsaft eine Art Limonade bereiten, die ihn sichtlich erquickte.
Hiernach bedankte sich Flavius nochmals in den bewegtesten Ausdrücken bei dem hilfreichen Imperator.
»Das ist die wahre Herrschernatur,« fügte er bedeutsam hinzu, »die überall selbst zugreift, wo es ein Unglück zu lindern, eine Schmach zu bestrafen, eine hochherzige That zu belohnen gilt. Nero, der seinen Freunden hilft, wie ein Bruder, wird in den Stunden ernster Gefahr auf uns zählen dürfen.«
Dann zu Poppäa. »Gib mir die Hand, du liebenswürdigste unter den Römerinnen! Wäre ich zwanzig Jahre jünger, ich möchte deinen glückseligen Otho beneiden. Du bist schön wie die himmlische Aphrodite und freundlich wie
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