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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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zuviel!‹«
    Poppäa suchte. In ihrer Erregung fand sie nicht gleich den elfenbeinernen Knopf der Wandlade. Sie suchte und drückte, bis ihr eine der übrigen Silberplatten der Wandbekleidung entgegensprang.
    Die allbekannten Krystallflaschen der Giftmischerin Locusta verrieten ihr zur Genüge, daß sie hier einen sehr unerwünschten Einblick gethan hatte.
    Hier lagen auch zehn bis zwölf Dolche mit dreifach gekanteter Klinge und kupfernem Rundgriff.
    Sie hatte das alles wie im Fluge geschaut, – aber ihr Gedächtnis war treu.
    Geräuschlos klappte sie die Silberplatte wiederum ein, fand nun sofort die Wandlade mit dem Essenzfläschchen und eilte zu Acerronia.
    Niemand hatte etwas gemerkt . . .
    So sollte auch jetzt niemand erfahren, wie eigentümlich ihre Entdeckung von damals sich heute verwertete.
    Agrippina durfte nicht ahnen, daß Poppäa Sabina den Beweis für die Urheberschaft der Kaiserin-Mutter an dem Mordanfalle auf Flavius Scevinus hier unter dem Busen trug; daß es ihr nur ein Wort kostete, um Agrippina bei dem ahnungslos-vertrauenden Imperator jämmerlich zu entlarven. Die junge Frau blieb so Herrin der Situation. Vorläufig unverbrüchliches Schweigen – dann aber, wenn es die Umstände etwa erheischen sollten: voran! Beim Jupiter, Nero würde erkennen, wie vortrefflich dieses Stilett zu den übrigen paßte, die bei den Flaschen Locustas im Schreine lagen!
    Dies alles zuckte ihr mit der Schnelligkeit eines Blitzes durch das Gehirn.
    Nun eilte sie seelenvergnügt weiter.
    Bald hatte sie den rastlos forschenden Cäsar wiederum eingeholt.
    »Da kommen die ersten bereits zurück,« sagte sie seufzend. »Es scheint, sie haben genau so vergeblich gesucht, als wir.«
    »Nichts, teurer Cäsar, nichts!« rief Tigellinus mit lallender Stimme von weitem schon. »Auch die Tribunen der Prätorianer, deren Pfad ich gekreuzt habe, sind, beim Herkules, ohne die leiseste Spur. Die Lanzen der Leibwächter haben sich überall durch Lorbeer und Myrte gebohrt: jeder irgend denkbare Spitzbube hätte aufgespießt werden müssen.«
    »So hat der Missethäter die Mauer erstiegen,« sagte der Cäsar.
    »Kaum glaublich, wenn er nicht im Besitz einer Leiter war. Von dieser Leiter jedoch müßte man in dem weichen Erdboden Eindrücke vorfinden, selbst wenn der Schurke sie nach sich gezogen hätte. Zudem stehen da draußen ja Prätorianer, – und Leute der Stadtkohorte, die der Lärm in die Nähe zog.«
    »Gut. So weilt der Mörder in unsrer Mitte.«
    Tigellinus zuckte die Achseln.
    »Wer unter all den Geladenen wäre ein so verruchter Bube und Lumpenhund? Und ferner: wer hegte Feindschaft wider den wackeren Scevinus? Er ist allenthalben beliebt, ein vergnügtes, harmloses Kneipgenie . . . Seine Sklaven vergöttern ihn. Artemidorus vielleicht . . .?«
    »Artemidorus befand sich im Hause, als man um Hilfe rief.«
    »Nun, nun, er ist ihm doch durchgebrannt, – damals, vor einigen Monaten.«
    »Das geschah nur aus Furcht, nicht aus Gehässigkeit.«
    »Aber wer soll's denn gewesen sein?« fragte der Agrigentiner, ein wenig taumelnd. »Du glaubst doch nicht, daß irgend ein leidenschaftlicher Anbeter unsrer Poppäa dem Sechzigjährigen grollte, weil er Seite an Seite mit ihr durch den Park schweifte?«
    »Ich glaube vorläufig gar nichts,« erwiderte Nero. »Du aber wirst mir einräumen, daß der Dolch nicht von selber geflogen kam, wie das Täubchen Melinnos. Also werde ich thun, was meines Amtes ist. Forsche nach Burrus! Heiß ihn seine Prätorianer zusammenrufen! Die Stadtsoldaten mögen draußen die Wache halten, falls der Verbrecher sich etwa in einem der undurchdringlichen Baumwipfel sollte verborgen haben. Wie die Sache jetzt liegt, traue ich keinem. Jedermann vom Senator bis zum niedrigsten Sklaven herab soll untersucht werden. Man möge erfahren, daß im Reiche des Nero solche Banditenstreiche sofort geahndet werden.«
    Fünf Minuten danach erscholl die Drommete. Von allen Seiten strömte die Leibwache herzu. Auch die Gäste waren in kürzester Frist vollzählig.
    »Tritt du heran zu uns auf den Hochsitz,« sagte der Cäsar zu Poppäa Sabina. »Du, die Begleiterin des Flavius Scevinus bei dem schnöden Ereignisse, stellst hier gleichsam das öffentliche Gewissen dar. Deine Trauer und deine Schönheit wird dem Schuldigen Reue und Scham einflößen und so die Entdeckung erleichtern. Auch bist du, Poppäa, die du ja mit ihm warst, die einzige, die erhaben über jedem Verdacht steht, – du, und wir, die kaiserliche

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