Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
Vom Netzwerk:
Familie!«
    Agrippina warf der schönen Poppäa, als diese zur Linken des Imperators stehen blieb, einen befremdlichen Blick zu, dem die übermütige junge Frau ruhig und freundlich begegnete. – Was hätte es jetzt auch für einen Zweck gehabt, Agrippina zu reizen? – Nein, Poppäa war viel zu schlau, um ihre weitausschauenden Pläne zu überstürzen.
    »Wen mag sie so plötzlich dazu gedungen haben, die kaiserliche Verbrecherin?« dachte Poppäa. »Burrus gilt als ihr Günstling . . . Aber ihm trau' ich's nicht zu: das bewiese doch eine zu pöbelhafte Gesinnung. Vielleicht der Centurio Ubius, der so fabelhaft rasch avancieren soll? Pah, was bekümmert's mich? Da ich ja weiß, wo der Urquell dieser Missethat sprudelt, so weiß ich genug.«
    Im Innern mußte sie herzlich darüber lachen, wie rasch und wie leicht sie, dank jener Ohnmacht der Agrippina, das Spiel durchschaut und so einen Vorteil gewonnen hatte, der ihr mit höchster Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang zu statten kam.
    Trotz dieses heimlichen Siegesgefühls beherrschte sie sich, und fand so die nötige Würde, als der entrüstete Nero mit flammendem Auge in den Kreis der Gäste hinabrief: »Ein Frevel hat sich ereignet – ruchlos wie kein andrer zuvor! Helft mir den Thäter entlarven! Wer sich da schuldlos fühlt, halte es ja nicht für überflüssig, diese Schuldlosigkeit zu beweisen! Keiner verlasse hier seinen Platz, eh' er nicht dargethan, wo er bis dahin sich aufgehalten; daß er weder verborgene Waffen trägt, noch etwa Spuren des meuchlings vergossenen Blutes. Insbesondere ihr, glorreiche Prätorianer, Stützen des Rechtes und der Gesetze – ihr vor allen müßt darauf halten, daß der Schurke entdeckt werde! Malt euch die unerträgliche Schmach aus, daß er sich etwa in eurer Mitte befände! Fort mit dem Buben! Fort aus dieser ehrenwerten Truppe der Auserlesenen! Der Henker wäre zu gut dazu, ihm den Garaus zu machen.«
    Ein beifälliges Gemurmel ging durch die Runde.
    »So beginne mit mir,« sagte die Kaiserin-Mutter, die Arme ausbreitend, als überliefere sie sich einem entehrenden Schicksale.
    Dabei geschah es, daß ihr ein silberner Nagel, dessen Spitze durch den Rand der Polsterbrüstung hervorlugte, scharf über die Hand ritzte. Ihr Blut floß hell über den Harnisch des ihr zur Rechten stehenden Centurionen Ubius, und dann, als sie mit einem flüchtigen Aufschrei zurückzuckte, über ihr eigenes lilienweißes Gewand.
    »Mutter,« rief der Kaiser entsetzt, »was beginnst du! Nochmals Blut an diesem herrlichen Tage, der so leuchtend begann und so himmlisch zu enden schien?«
    »Mein Sohn, dieses Blut ist ein Zufall: aber im Zufall äußert sich oft der Wille der unsterblichen Götter. Sie wollen Dich, ihren Liebling, vielleicht gemahnen, daß du die Gäste des Flavius Scevinus beleidigst, wenn du hier eine Kriminalsitzung planst, als wäre der Festplatz im Parke eines Senators die pöbelumdrängte Basilica, wo die Rechtsbeflissenen ihre Spitzfindigkeiten zum besten geben.«
    Nero griff wie betäubt an die Stirne. War er denn immer noch der zehn- oder zwölfjährige Knabe, den die Mutter, wenn er mit zerrissener Tunica heimkehrte, bei den Haaren zauste, nach der ungeschlachten Manier einer Oskerin?
    Schon wollte er – mit vollkommener Mäßigung, aber dennoch energisch – betonen, daß die Sicherheit seiner Staatsbürger ihm höher stehe, als die höfische Rücksicht auf die Geselligkeit. Burrus jedoch, der Oberst der Prätorianer, war ihm zuvorgekommen.
    »Allgewaltige Agrippina,« sprach er mit fester Stimme, »mein Amt gebietet mir, unverzüglich ans Werk zu gehen und den Befehlen des Imperators Folge zu leisten. Mag die vornehme Dame dadurch verletzt werden: die Mutter des Kaisers wird bereitwillig anerkennen, daß der alte, schlechterzogene Soldat seine Pflicht gethan.«
    Agrippina zuckte die Achseln. Wenn der Oberst der Prätorianer für Nero Partei ergriff – was konnte sie machen? Heimlich gelobte sie sich, den Bären jetzt endgültig mit Rosenketten zu fesseln, damit sie künftighin solche Ausbrüche eines unerwarteten Pflichtgefühls hintertreiben könne.
    Der Befehlshaber der Prätorianer rief nun acht seiner Leute, auf deren unverbrüchliche Treue er bauen konnte, mit Namen auf, und befahl ihnen, zunächst ihre Kameraden, dann aber alle männlichen Gäste, soweit sie nicht darthun konnten, wo sie sich während des Attentats aufgehalten, sowie sämtliche Sklaven gründlich zu untersuchen. Die Frauen und Mädchen, die

Weitere Kostenlose Bücher