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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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nicht im stande sein würden, sich sofort zu entlasten, hieß er unter Bedeckung einiger weiteren Prätorianer ins Atrium treten.
    Keine der Damen erhob sich.
    Die ganze Angelegenheit war über alles Erwarten schnell zu Ende gebracht.
    Jeder hatte zum wenigsten zwei oder drei Zeugen, die ihm eidlich erhärteten, daß er sich anderwärts aufgehalten.
    Nirgends fand sich eine stilettartige Waffe, – und die Gestalt der Wunde ließ doch keinen Zweifel darüber, daß sie von einem Stilett herrührte.
    Das Ergebnis der Untersuchung war in jeder Beziehung gleich Null.
    »Ich sagte es ja!« rief Agrippina. »Wir bitten euch sehr um Verzeihung, ihr edlen Gäste des Flavius Scevinus, wenn der rühmliche Rechtseifer unsres geliebten Sohnes ein wenig zu weit gegangen.«
    Nero erwiderte nichts. Seine Seele war bereits von andern Bildern erfüllt. Schweigend erhob er sich und behändigte unbemerkt dem Sklaven Artemidorus das Schreiben Actes für die sicilianische Dame . . .
    In der nämlichen Ordnung, wie man im Hause des Flavius Scevinus eingetroffen, wandte sich der Zug der kaiserlichen Familie dem Heimweg zu. Metella, die Gattin des bedauernswerten Scevinus, geleitete ihre erlauchten Gäste bis ans Vestibulum.
    »Möge er bald genesen!« flüsterte Agrippina, der Frau des Verwundeten freundlich die Stirne küssend.
    »Das wünsche auch ich,« rief Nero. Er führte die Hand Metellas dreimal an seine Lippen.
    »Und möge der Unhold, der deinen Frieden gestört hat, trotz der Schlauheit seines Verbrechens entdeckt werden!« sagte Octavia, die Weinende zärtlich umarmend. »Getröste dich, liebste Metella! Polyhymnius ist ein vortrefflicher Arzt, und die Wunde ist leicht.«
    Der Zug setzte sich in Bewegung. Weder Nero, noch Octavia sprachen ein Wort. Außer den regelmäßigen Schritten der Sänftenträger, des Fackelgefolges und der Soldaten der Leibwache hörte man keinen Laut. –
    Nero sah einer leuchtenden Sonne entgegen, die er heute schon flüchtig geschaut, die aber morgen aufgehen sollte für sein ganzes, glückliches Leben.
    Octavia hatte, ohne doch das Geringste zu wissen, das dunkle Gefühl, als würde es nie wieder Tag werden.
    Das ruhig-klare Schweigen ihres Gemahls war so seltsam beredt. Sein Auge strahlte, sein Mund lächelte, wie der eines Kindes, das am Abend seines Geburtsfestes von der Puppe träumt, die ihm beschert worden ist.
    Was ihn so klar, so beruhigt stimmte, und diese blühende Jugendlust über sein Antlitz goß, das konnte nur eins sein: die babylonische Rose, nach der Millionen vergeblich suchen – das Glück.
    Die arme Octavia fühlte es wie ein unaussprechliches Weh, daß sie keinerlei Anteil hatte an diesen Empfindungen; daß die babylonische Rose in
seinen
Händen für sie den Schmerz, die Entsagung, das Unglück für alle Zeiten bedeutete.
    »In deinen Schutz befehle ich Sein und Leben, allgütiger Jupiter!« murmelte sie unhörbar. Sie rang die Hände. Sie ächzte, als wollte das Herz ihr in Stücke springen, aber so leise, wie der junge Spartaner, dem das gefangene Raubtier heimlich die Brust zerfleischte. Claudius Nero, der so glückselig in die sternbestrahlte Aprilnacht hinauslächelte, sollte nicht wissen, wie ohne Maßen sie elend war.
     

Elftes Kapitel
     
    Sechs Wochen waren verstrichen.
    Im lauschigen Xystus einer der reizendsten Villen jenseits des Drususbogens saß Acte auf einer teppichbelegten Marmorbank und folgte mit sehnsuchtsvoll-erwartendem Blicke dem Schatten der Sonnenuhr.
    Die Stunde der Coena war jetzt vorüber.
    Nero speiste heut bei dem Flottenbefehlshaber Anicetus. So war er Gast, nicht Gastgeber, wie im Palatium, und konnte aufbrechen, wann's ihm genehm schien. Es drängte ihn, möglichst frühe zu ihr zu eilen, die er mehr liebte als den Glanz seines Thrones und die herrlichsten Weisheitslehren des Staatsministers. Der junge Fürst gönnte jetzt den Großen der Hofburg jeglichen Einfluß auf die Regierung. Er litt es, daß seine Mutter, ja, daß Octavia in Dingen mitredete, die, selbst nach der Anschauung Agrippinas, die ureigenste Domäne des Imperators waren. Der Trinkspruch des Flavius Scevinus schien ganz und gar ohne Wirkung geblieben zu sein.
    Nero sagte zu allem Ja, was ihm der würdige Seneca, vielfach von Tigellinus beeinflußt, vortrug.
    Er verdoppelte, auf den Rat beider, für den Monat Dezember, in dem er geboren war, den Prätorianern die Löhnung, wobei es merkwürdigerweise in allen vierzehn Regionen von Mund zu Mund ging, diese

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