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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Mißgeschick, das sich nicht aussagen läßt.«
    »Du scheinst bewegt. Hab' ich dir dennoch unrecht gethan?«
    »Unrecht, Herrin, unrecht bis in den Grund meiner Seele hinein, wie mir so viele unrecht thun, die nicht den wahren, echten, redlichen Tigellinus kennen, sondern die gesellschaftliche Maske, die meinen Namen trägt. Schwöre mir, Herrin, daß du alles geheim halten willst . . .!«
    »Ich schwöre.«
    »So wisse, dein Herr und Gemahl liebt eine andre, – ein junges, schönes, liebreizendes Geschöpf, aber nicht wert, dir das lichtbraune Haar zu strähnen. Sein heißes Gemüt ist dir allewig verloren: sie hat ihn verzaubert, wie Kirke die Kampfgenossen des Dulders Odysseus. Du schwankst? Du taumelst? Fasse doch Mut und vertraue mir! Siehe, hier schlägt noch ein Herz, das mit Freuden für dich, sein Alles, den Tod erlitte.«
    Halb ohnmächtig war sie in seine Arme gesunken. Berauscht von der Wonnigkeit dieser Berührung hatte er sie voll Ungestüm an sich gepreßt.
    Sie stieß ihn zurück.
    »Elender!« sprach sie mit zuckender Lippe. »Und wär' er sechshundertmal schlechter und treuloser, als du ihn schilderst: – ich zum wenigsten will ihm treu sein bis zur letzten Minute. Wessen erfrechst du dich? Nur dein Blut könnte diese Besudelung abwaschen, – aber ich will kein Blut. Jupiter in seiner hehren Gerechtigkeit wird dich schon züchtigen.«
    »Herrin . . .« stammelte Tigellinus.
    »Laß mich allein!«
    »Und so hätte ich nichts zu hoffen, – auch dann nicht, wenn ich's bewiese, daß Nero dich in offener Schamlosigkeit betrügt?«
    »Wenn du nicht gutwillig gehst, so ruf' ich um Hilfe,« sagte Octavia, in der ganzen Fülle ihrer jugendschönen Majestät aufgerichtet. »Haben denn früher hier solche Dirnen gehaust, daß ein Mensch wie du sich erdreisten darf . . .«
    »Ich gehe, Octavia,« zischte der Agrigentiner. Er war bleich wie der Tod. »Ich gehe! Auf Wiedersehen!«
    . . . Von diesem herzbeklemmenden Vorfall wußte Acte nicht das geringste.
    Für sie war Octavia nur das arme Geschöpf, das von Gott nicht bestimmt war, das liebeverlangende Herz des Kaisers zu begreifen und auszufüllen.
    Daß sie selber, die Niedriggeborene, dies so vollkommen vermochte, betrachtete sie als ein unverdientes Gnadengeschenk des Himmels.
    Sie schwindelte jetzt bei dem Gedanken ihrer maßlosen Seligkeit. Die Thränen traten ihr in die Augen.
    »Gott der Gnade,« flüsterte sie, »verzeih mir mein Glück! Oder wenn du's nicht kannst, so laß mich im Jenseits für jeden Tag dieser Wonne hundert Jahre lang büßen, – unmenschliche Qual, – bis ich dann endlich, endlich, endlich wieder mit ihm vereint werde! Ich will ihm auch unermüdlich ins Ohr flüstern, daß du in Knechtsgestalt hernieder gestiegen bist, um uns loszukaufen von der Last unsrer Sünden! Seine Seele will ich erretten, – ach, leider aus Selbstsucht; denn was wäre der Himmel mit all seiner Herrlichkeit ohne den einzigen, den ich liebe, wie nichts auf der weiten unermeßlichen Welt!«
    Nun blinkte ein sonniges Lächeln über ihr Antlitz. Es war ihr, als habe der Christengott sie erhört; so heilig klang es in ihrem Herzen, so göttlich ruhig.
    Sie sprang empor. Im Peristyl ertönten die Schritte Phaons, des treuen Sklaven, den Claudius Nero mit der Verwaltung der kleinen Villa betraut hatte.
    Die Harrende wußte, was diese Schritte besagten.
    Vom Söller des Obergemaches hatte Phaon die wohlbekannte Sänfte erblickt, unter deren halbseidenen Vorhängen sich die Apollogestalt des jungen Kaisers verbarg. Die vier Lusitanier, in unauffälligem, grauem Gewand, die ihn trugen, waren verschwiegen; niemand kümmerte sich darum, wenn diese Lectica durchs Ostium in den halb überdachten Hof schlüpfte.
    Acte schritt durch das Peristyl bis an den Korridor. Hier gewahrte sie hochklopfenden Herzens, wie ihr Geliebter in blumiger Tunica, die weiße Toga nur auf dem Arme haltend, der Sänfte entstieg und geraden Wegs nach dem zauberhaften Gemach schritt, wo der fünfarmige Leuchter bereits sein mildes Licht über die Wandbekleidung und das kostbare Mobiliar goß.
    Das helle Blut stieg ihr ins Angesicht.
    Ja, da draußen, unter den Steineichen, zwischen den duftigen Rosenhecken, am Springbrunnen, war es entzückend, Hand in Hand zärtlich zu plaudern und sich zum tausendstenmal zu sagen, daß man sich rasend, über alle Begriffe lieb habe.
    Hier aber in dem stillen Gemach, wo das heimliche Liebesgeflüster so märchenhaft, so gedämpft klang, hier

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