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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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politisch-bedeutungsvolle Idee entstamme dem Hirn des Agrigentiners.
    Der Kaiser repräsentierte auch, wo das Hofzeremoniell oder die Hohe Körperschaft es verlangte.
    Aber dies alles nur aus der Seele eines Mannes heraus, der in fröhlicher Resignation sein Tagewerk leistet, dieweil er alles Glück von den Stunden der Freiheit erwartet.
    Der Gedanke an Acte beschäftigte ihn ja vom dämmernden Morgen bis in die sinkende Nacht.
    Die ganze Welt war nur der Rahmen für das eine köstliche Bild, das er da insgeheim, einige hundert Schritt von der lärmenden Via Appia entfernt, selig verwahrte.
    Niemand wußte noch um die Sache, als Tigellinus, dem er in überströmender Wonne alles gebeichtet hatte. Er hätte ersticken müssen an dem Uebermaße des Glücks. Und Tigellinus hatte ja bei den Manen seiner verstorbenen Mutter heilig geschworen, kein Wort zu verraten.
    Acte, die rotverschnürten Füßchen übereinander schlagend, harrte auf ihren Abgott. Jeden Augenblick konnte er über die Schwelle treten. Die trauliche Marmorbank zwischen den Rosenhecken war sein erklärter Lieblingsplatz. Deshalb pflegte sie hier sein Erscheinen heranzuwarten.
    Der Schatten der Sonnenuhr rückte weiter und weiter. Acte, von der Gewißheit berauscht, daß er kommen würde, übersann ihr Geschick, und sie fand sich beneidenswert, wie nie eine Sterbliche.
    Die sechs Wochen, die nun hinter ihr lagen, waren ein einziger duftumwobener Traum gewesen.
    Sie hatte alles verwunden, was die Gegenwart mit dem Vergangenen verknüpfte.
    Wohl dachte sie noch zuweilen an die trostlosen Tage der Trennung, aber ihr Herz empfand nur eitel Wonne dabei.
    Auch ihr Gewissen regte sich nicht im mindesten.
    Sie wußte zwar, daß sie als gläubige Nazarenerin sündigte, wenn sie in Liebe den Mann umfing, der nicht allein vor dem Gesetze Christi, sondern auch vor den Göttern des Heidentums der Gemahl einer andern war.
    Sie wußte das, aber – sie fühlte es nicht; wenigstens dann nicht, wenn sie an ihn gedachte, den sie über alle irdischen Grenzen hinaus anbetete.
    Ein Blick aus seinen herzbezwingenden Augen genügte, um den letzten Rest ihrer Selbstanklagen über den Haufen zu stoßen.
    Hatte sie nicht alles gethan, den Kaiser zu meiden?
    War sie nicht willens gewesen, nach Sicilien zu flüchten, wo nie ein Strahl seiner berauschenden Gottheit sie erreicht haben würde?
    Nur Abschied hatte sie nehmen wollen von diesem zauberisch holden Antlitz, das gleich von Anfang ihr höchster Himmel war, – und nur der Zufall oder die Fügung des Schicksals war es gewesen, was ihn gerade in dieser Abschiedsstunde für ewig an ihr Dasein gekettet hatte.
    Ja, für ewig!
    Eine solche Liebe konnte nicht enden; nur der Tod vermochte gewaltsam auseinander zu reißen, was für alle sonstigen Mächte der Erde unlöslich blieb.
    Und dann:
raubte
sie ihn denn wirklich seiner herzenskühlen Gemahlin? Hatte sein ganzes Wesen nicht von Anbeginn
ihr
gehört,
ihr
, der Niedriggeborenen? Hatte Octavia ihn jemals auch nur halb so verstanden, wie sie?
    Zumal seit einigen Wochen, seit vierzehn Tagen vielleicht. So lange war's her, daß im Verhalten der jungen Kaiserin eine gesteigerte Schroffheit sich ausprägte. Sie behandelte ihren Ehegemahl geradezu feindselig. Schlaflosigkeit und häufig wiederkehrende Kopfschmerzen vorschützend, hatte sie ihre Gemächer ganz von denen des Imperators getrennt . . .
    Ja, die bleiche, herzlos-öde Octavia teilte mit Claudius Nero den Thron und die äußerlichen Ehren der Kaiserherrschaft; sie erschien ordnungsgemäß ihrem Gatten zur Seite, wo Sitte und Herkommen dies erheischten; sonst aber besaß sie nichts von dem Herrlichen, nichts . . .
    Acte wußte nicht, was Octavia inzwischen erlebt hatte. Wenn sie's geahnt hätte, sie würde sich wohl gescheut haben, die junge Kaiserin herzlos und öde zu nennen.
    Genau vor dreizehn Tagen war es gewesen. Tigellinus hatte bei Octavia heimlich um eine Audienz nachgesucht. Er schützte wichtige Staatsangelegenheiten vor, bat die Fürstin, ihre Freigelassene Rabonia und die beiden Sklavinnen aus dem Oecus zu schicken, und begann hiernach mit einer gemessenen Höflichkeit, wie folgt: »Herrin, ich fühle die Pflicht, dir eine entsetzliche Mitteilung zu Füßen zu legen, eine Mitteilung, die leider nur lückenhaft sein wird, da mir ein unverbrüchlicher Schwur gebietet, den Namen der Sünderin zu verschweigen.«
    »Was gibt's?« fragte Octavia.
    »Etwas Alltägliches, und doch ein Elend für die Herrin von Rom, ein

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