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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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berauschte es Sinn und Seele noch unwiderstehlicher; auch hatte man nicht zu befürchten, es werde der Blick einer lauschenden Dienerin frech in die süße Verschwiegenheit dieses Glückes hereindringen.
    Die kleine buckelbeschlagene Thür hatte sich hinter den beiden geschlossen.
    Der Armleuchter an der purpurdurchwirkten Schnur leuchtete friedsam und klar, wie die milde Scheibe des Vollmonds.
    Auf dem glänzenden Citrustische, unter dem florüberkleideten Fenster, stand eine silbergetriebene Kanne mit hellenischem Wein, zwei schlangenfüßige Schalen und zwei bläulich-schimmernde Murrhagefäße. Vor dem rosenfarbig gepolsterten Sigma, rechts neben dem schwellenden Ruhebette, befand sich ein ähnliches Monopodium mit duftigen Früchten und einer Flachschüssel hartgebackenen Zitronenkuchens.
    Nero setzte sich auf die Kante des Lagers, umschlang seine frühlingsholde Geliebte mit jugendkräftigen Armen und drückte sie bebend an seine Brust.
    »Hab' ich dich endlich, endlich wieder?« flüsterte er bewegt.
    Er küßte ihr schämig gesenktes Antlitz, ihre schneeigen Schultern, ihr unvergleichliches Haar, das breit gelöst über den Nacken rollte.
    Sie aber schmiegte sich auf seine Kniee, strich ihm lächelnd über das volle Gelock, und hing sich dann im Hochgefühl des Besitzes stürmisch an seinen Hals.
    Das war es ja, was ihn im Wesen Actes immer und immer wieder so heiß entzückte: diese holdselige, zaghafte Scheu, diese jungfräuliche Befangenheit, und gleich darauf die hingebungsvolle Kraft einer Liebe, die keine Schranken kennt.
    Nun folgte mit betäubender Innigkeit die ewig wiederkehrende Frage des Imperators:
    »Hast du mich lieb? Hast du auch manchmal an mich gedacht?«
    »Unablässig, jede Sekunde lang,« flüsterte Acte, vor Wonne vergehend. »Aber du? Du da draußen in der vornehmen Welt, wo die schönen Frauen und Mädchen wie Blumen sprießen, wo die Huldigungen auf jedem Schritte dir nachfolgen, wo die tausendfältige Sehnsucht allenthalben dir Netze wirft –?«
    »Himmlische Acte, du übertreibst diese Dinge. Wahrlich, ich sage dir, käme die Schönheit aller Weiber, vom Tanais bis zum Gestade des Ozeans, zusammengefaßt in einem einzigen liebreizenden Wesen, – ich würde sie dennoch verschmähen, und der göttlichen Aphrodite zurufen: ›All deine Meisterwerke sind Stümperei, verglichen mit Acte, dem wonnigen Blondschatz, dessen große Pupillen so tief in die meinen schauen und mir so lieblich zulächeln: – Cäsar, hier ist deine Heimat!‹ –«
    »Ja, – das ruft mein Antlitz dir zu! Ich liebe dich von Grund meiner Seele aus – du süßer, herrlicher Mensch! Dein bin ich und bleib' ich, und gälte es meinen ewigen Untergang! Zerbrich mich, Nero, zerbrich mich! Das wäre ein glückseliger Tod!«
    Wie schön sie war, diese mädchenhaft errötende Acte, wenn so die Liebesglut eines unverkünstelten Herzens ihr gleichsam Flügel verlieh!
    Nun schloß sie die Augen, als ob der überirdische Glanz ihres angebeteten Claudius Nero sie blende.
    Ihre Wimpern erbebten und schimmerten feucht.
    Sie atmete tiefer und tiefer, bis sie nach einer Weile entschlummert war, – ein Bild der Seligkeit und des unendlichsten Glücks.
    Nero trat zu der silbergetriebenen Kanne, und füllte sich eine der schlangenfüßigen Trinkschalen.
    Wie er, den duftigen Cyprier hoch in der Rechten, so das reizend schlummernde Mädchen erblickte, das, den Arm in bezaubernder Biegung unter das Haupt geschmiegt, an die schöne Ariadnestatue im Cubiculum des Palatiums gemahnte; wie er das hold gerötete Antlitz schaute, ihren knospenden Busen, und den halbgeöffneten, Küsse atmenden Mund, der die herrlichsten Zähne freigab, – da ergriff ihn etwas von jener dichterischen Begeisterung, die ihm oft so unmittelbar neben dem eigenen Erlebnis gedieh, daß ihm die Gegner diese echt künstlerische Veranlagung als Komödiantentum vorwarfen.
    Er führte die Schale zum Munde, leerte sie halb, und schrieb dann, leise murmelnd, die folgenden Verse in seine Tafel:
     
Ja, beim unsterblichen Zeus, Ariadne bist du geworden
    Meinem bedrängten Gemüt, das in verzehrender Qual
Unablässig geschweift durchs Labyrinth der Erkenntnis,
    Ohne der gräßlichen Fahrt irgend ein Ende zu sehn.
Dich zu verherrlichen, trink' ich den leuchtenden Bacchus: doch wahrlich,
    Nimmer gelüstet es mich, treulos wie Theseus zu sein.
Weh dir, erbärmlicher Thor, der blind vom entsetzlichen Wahne,
    Die sich zu eigen ihm gab, irren Gebarens

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