Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
Vom Netzwerk:
verließ!
Neu umdräun dich die Wege des trostlos-riesigen Bauwerks,
    Weil du den Frieden verschmäht, den dir die Liebe gereicht!
     
    Diese rhythmisch wohlgegliederten Doppelverse, die für eine Improvisation gar nicht so übel waren, erfüllten das Herz des jugendlichen Imperators mit einer Art von transscendenter Verzückung.
    Er setzte sich wieder auf die Kante der Bettstatt, und beschaute andachtsvoll das liebliche Rätsel, das ihm in dieser holden, nicht genug zu bewundernden Mädchengestalt entgegenlächelte.
    Ihr langhinwallendes Blondhaar, das allein ausgereicht hätte, ein nachtumdunkeltes Weltall mit Poesie zu erleuchten; dieser schwellende Arm; diese Brust, weiß wie der Blütenschnee des Aprilmonds – bei allen Unsterblichen, es war wie ein Göttertraum!
    Voll heiligen Staunens hielt er den Atem an, die Geliebte nicht aufzuwecken: das Bild war zu sehr über alle Beschreibung herrlich.
    Ach, und wie liebte ihn diese Acte! Wie völlig ging sie auf in seinem Besitz! Ihre zerschmelzende Hingebung fand nicht ihresgleichen im ganzen Imperium!
    Plötzlich wurde er traurig.
    War es nicht dennoch ein Unglück, dieses Kleinod verbergen zu müssen, als sei die beglückende Liebe zu Acte ein Unrecht? Wenn es denn in der Menschenbrust ein Gewissen gab, das die gute That lobte und die schlechte verurteilte – wohl: so hatte sich sein Gewissen niemals reiner gefühlt als jetzt; die Gottheit wünschte dann nichts Vollkommeneres und Gerechteres, als diese heißerglühende Herzensneigung.
    Er suchte sich die Erinnerung an Octavia heraufzubeschwören, und so die Probe zu machen, ob sich noch irgendwo eine Stimme erhübe zu Gunsten der unglückseligen Gattin.
    Aber alles blieb stumm.
    Acte war sein Traum und sein Leben, und da er sie liebte, kannte er fürder nur eine Pflicht: durch Acte glücklich zu sein und die Geliebte glücklich zu machen.
    Abermals lehnte er so eine Weile in Betrachtung versunken. Wie war sie himmlisch, einer kaum erschlossenen Frühlingsrose vergleichbar! Wie war sie jung! Aber ach – nur den Göttern der hellenischen Sagenwelt war ewige Jugend eigen! Dieses liebliche Mädchen, das so ganz Blüte war und so völlig die Aetherlüfte des Olympos zu atmen schien, würde trotz all seines Liebreizes dem nagenden Einfluß der Jahre nicht widerstehen können. Diese schimmernden Wangen sollten allmählich verblassen, die ganze holdselige Zaubergestalt verwelken, verwittern . . . Und am Ende der schauderhaften Entartung stand ein hohläugiges, bleiches Gespenst: der Tod.
    »Weh mir, der Tod!« murmelte Nero. – »Um so – sehnsuchtstrunkener will ich das Leben umfassen, so lang es mir leuchtet. Acte, beneidenswertes Geschöpf! Nach deinem Glauben ist der Tod nur ein Uebergang in ein besseres Sein, und das Verwelken des Leibes gleicht der Verpuppung der Raupe, die späterhin als strahlender Schmetterling zur unsterblichen Sonne schwebt. Ach, könnte ich glauben, wie du! Nicodemus, dein ehemaliger Herr, hat mir – wie oft! – zu beweisen versucht, was leider, leider nicht zu beweisen ist: die ewige Seligkeit in den ambrosischen Hallen des Jenseits. Wo ich ihm Zweifel entgegenschleuderte, hob er, einer Sibylle vergleichbar, die Finger der rechten Hand, und sagte prophetisch: ›Herr, du mußt glauben!‹ Er begreift nicht, welchen Widersinn diese Worte enthalten. Es ist, als ob man dem Kranken zuriefe: ›Du mußt nun gesund sein!‹ Er hat mich abgestoßen mit seiner Unlogik. Acte freilich könnte dasselbe sagen, und würde mein Herz berücken, denn bei ihr vernähme ich nichts von dem Widerspruch der Gedanken, sondern nur die Tieftönigkeit ihres Glaubens . . . Sterben, sterben . . .! Für ewig dahin gehn mit allem, was man gefühlt und gedacht und geträumt und geliebt hat! Es ist seltsam, wie mir das an die Seele faßt. Sonst verstand ich es doch, wenn mir Seneca nachwies, daß der Untergang unsres Ich kein Uebel bedeute. Seit ich Acte besitze, möchte ich ewig leben. Ewig um ihretwillen.«
    Er beugte sich über die Schlummernde und küßte sie wie von Sinnen. Sie schlug die Augen auf, streckte ihm selig lächelnd die Hände entgegen, umschlang ihn und zog ihn liebend zu sich herab.
    Jetzt nahm auch sie von dem Weine, den er ihr darbot. Sie trank wie eine Verschmachtende. Dann lohnte sie's dem Geliebten mit einem duftigen Kuß, hieß ihn an ihrer Seite verweilen, und blickte ihn, halb sich aufrichtend, wonnevoll an.
    »Acte,« sprach er, mit ihrem goldigen Haar spielend, »Acte, mein

Weitere Kostenlose Bücher