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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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nur!« wehrte die Kaiserin-Mutter. »Ich bin nicht gekommen, dir Vorwürfe zu machen oder Kritik zu üben. Was hülfe das auch? Das Gestern wird durch das Heulen der Klageweiber nicht besser. Im Gegenteil: ich will dir verkündigen, daß du in kurzem über die Nebenbuhlerin triumphieren sollst.«
    »Triumphieren?« wiederholte Octavia zweifelsbang.
    »Ja. Mein Entschluß ist gefaßt. Trotzig genug hat er mir's zugerufen: nur der Tod trenne sein Bündnis mit Acte. Für diesen unerläßlichen Tod werde ich sorgen.«
    Zitternd barg Octavia ihr Angesicht.
    »Sei ganz unbesorgt!« tröstete Agrippina. »Die Sittlichkeit, die Tugend, der Glanz der Cäsarenwürde gebietet's. Wir befinden uns im Stande der Notwehr: da ist jedes Mittel erlaubt. Hat nicht auch Mucius Scävola, den die Geschichte als den edelsten Patrioten preist, heimlich, wie ein bezahlter Messerheld, sich ins Zelt des Porsena geschlichen? Hat nicht Brutus die eigenen Söhne geschlachtet, um des Vaterlandes, um der Hoheit des Konsulates willen? Der Thron des Kaisers aber strahlt höher und herrlicher, als alles übrige auf der leuchtenden Erdscheibe. Kurz und gut: drei Wochen geb' ich ihm Frist. Wenn er bis dahin die liederliche Dirne nicht fortjagt, so ist ihr Schicksal besiegelt. Ich lasse sie töten.«
    »Beim allmächtigen Jupiter,« stöhnte Octavia, angstvoll emporfahrend, »das wirst du nicht, Mutter des Imperators!«
    »Weshalb nicht?«
    »Weil . . . weil . . .«
    »Es gibt eine Grenze,« rief Agrippina, »wo die Gutmütigkeit einfach absurd wird. Wenn dereinst die Weltgeschichte über mich urteilt, wird sie gar manches Verdammungswort auf meine Eigenart schleudern: denn wie viele von den traurigen Alltagsmenschen der Zukunft werden im stande sein, mich und meine heldenhaften Beweggründe zu begreifen? Das alles will ich für Tand und Firlefanz halten: das eine aber, der Fluch der Lächerlichkeit – dieser Gedanke könnte mich rasend machen. Ich vertrete hier das Gesetz und die Ehre des Kaiserhauses: mir, als dem Oberhaupt der Familie, geziemt es, den alten Glanz derselben zu wahren, und die Schuldige, die ihn befleckt, aus der Welt zu schaffen.«
    Octavia trat auf sie zu.
    »Teure Mutter,« sprach sie mit herzbewegender Stimme, »ich am letzten wäre berufen, diese Schuldige zu verteidigen. Aber mir sagt's mein Gewissen: nur das Weh meiner ewig verlorenen Liebe macht mich so unversöhnlich in der Beurteilung ihrer Handlungsweise – und so wär' es dennoch ein Mord.«
    »Gut, nenne es so! Aber wenn mir ein Strauchdieb ins umfriedigte Heim steigt, um die Schatzkammer zu berauben, so hab' ich ein Recht, ihn zu morden.«
    »Mutter,« schluchzte Octavia, »Acte hat mir das Kleinod seiner Liebe niemals geraubt, denn es lag niemals in meiner Schatzkammer. Sieh, auf den Knieen wollt' ich tagtäglich den Göttern danken, und Opfer bringen und Weihgeschenke bis zum letzten Denar, wenn ich nach jahrelanger Bemühung sein Herz mir erobern könnte, ach, nur für eine einzige flüchtige Woche! So aber – die rohe, mitleidslose Gewalt, – nein, Mutter, das geht nicht. Das würde ihn nur noch tiefer erbittern; er würde in mir die Urheberin seines Verlustes ahnen; er würde mich hassen, während ich jetzt ihm nur gleichgültig bin.«
    »Fürchte das nicht!« erwiderte Agrippina. »Alles läßt sich im Leben verschmerzen, zumal wenn man Kaiser ist. Liebt er sie wirklich – gut, so wird er ihr kurze Zeit nachweinen, und dann um so stürmischer das Bedürfnis nach einem Ersatz fühlen. Dann ist es deine Aufgabe, schön zu sein, zärtlich, und die Erinnerungen, die sich noch hier und da regen, zu deinem Vorteil zu nützen. Laß ihn im Anfang sich einbilden, er umarme in dir seine ›Himmlische‹, wie er sie nennt. Ihr seid so ziemlich von der gleichen Statur; seine glühende Phantasie wird sich leicht eine Täuschung gewähren, bis er allmählich auch die Wirklichkeit lieben lernt. Auf dich kann er unmöglich Verdacht haben betreffs der Acte. Er weiß, wie sehr du die Götter ehrst, wie scheu und sittsam du bist. Schlimmstenfalls tret' ich ihm offen unter die Augen und sage ihm schlankweg: ›Ich, deine Mutter, bin es gewesen, die dich von Acte befreit hat. Octavia ist am kleinen Finger hübscher als die Verlorene am ganzen Leibe. Vertragt euch und sorgt mir dafür, daß bald ein Kronprinz zur Welt kömmt! Ich will euch nicht zürnen wegen des unangenehmen Ehrentitels Großmutter, der für Agrippina fast schon ein Schimpfwort ist!‹ – Jetzt geh' zur Ruhe,

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