Nero
sich aber, was das Schicksal verhüten möge, je eine Kluft zwischen uns aufthun, – hörst du, Kaiserin Agrippina? – so werden sich unsre Soldaten erinnern, wem sie den Eid geleistet, – dir oder mir!«
»Streiten wir nicht!« sagte Octavia, zum erstenmal das Wort ergreifend. »Ich erwarte hier weder Drohungen noch rhetorische Phrasen, sondern ganz ohne Umschweif einen entscheidenden Abschluß. Hast du denn keine Empfindung für die entsetzliche Schmach, die du uns anthust? Nero, der Imperator, der Gatte Octavias, liebt eine niedrig geborene Magd . . .!«
»Ich darf dir bekennen,« sagte der Kaiser in herber Verbitterung, »daß diese niedrig geborene Magd wenigstens eins versteht, was vielen sehr hochgeborenen Damen des senatorischen Standes abgeht: zu lieben und glücklich zu machen . . .«
Octavia war nicht länger im stande, ihn anzuhören.
Schweigend erhob sie sich und verließ das Gemach, um ihr Cubiculum zu erreichen, wo sie erschöpft von den unbeschreiblichen Aufregungen der letzten Wochen haltlos zusammenbrach.
»Es ist gut, daß sie gegangen ist,« hub Agrippina wiederum an. »Was ich dir sagen wollte, war in der That kaum verträglich mit ihrer Gegenwart.«
»Du machst mich neugierig.«
»Ich will frank sein und gleich mit der Thüre ins Hans fallen. Wisse, mein Sohn, daß ich weniger deine Treulosigkeit schimpflich finde, als die grenzenlose Verirrung in der Art deines Auftretens. Es mag ja sein, daß unsre Voraussetzungen betreffs der guten Octavia falsch waren; daß ihr beide mit aller Anstrengung nicht auf die gleich Tonart zu stimmen seid. Meinetwegen suche dir für den Mißgriff, den ihr begangen, frohe Entschädigung: nur verwandle nicht eine flüchtige Laune in ein offenes Verhältnis. Du wirst mir einräumen, es war geradezu frech, mit dieser . . . Acte vor aller Augen dich im Marsfeld herumzutreiben.«
»Mutter!« rief Claudius Nero empört . . .
»Laß mich ausreden! Ich gehe noch weiter. Hättest du eine Liebschaft mit Septimia oder mit sonst einer Dame des ersten Standes: ich wollte ein Auge zudrücken. Der Cäsar ist schließlich der Cäsar, und tausend andre, ohne das Vorrecht des Prinzipats, betreiben dasselbe. Daß du jedoch mit der Freigelassenen des Nicodemus diese abgeschmackte Idylle spielst, ihr zärtliche Lieder singst, ihr zu Füßen kauerst, und dich so dem ungestümsten Gelächter aller gebildeten Menschen preisgibst, das ist deiner nicht würdig und, bei den Göttern, meiner noch weniger!«
»Mutter, wenn du sähest, wenn du gewahrtest, wie ihr im Auge die reinste, vornehmste Seele strahlt, wenn du sie reden hörtest, so klug, so verständig . . .«
»Es ist zum Tollwerden!« unterbrach ihn die Kaiserin-Mutter. »Ich wiederhole dir: und wenn sie noch so verlockend ist, du hast gehandelt wie ein alberner Schulbube! ›Das reizende Blümchen!‹ Gut, so pflücke sie doch wie ein Wanderer die Heckenrose! ›Ein Spaß,‹ hätte man dann gesagt, ›ein Abenteuer im Stile des Zeus, der ja auch zuweilen vom Göttersitze herniederstieg, um eine Sterbliche zu erobern!‹ So aber gründest du deiner Geliebten ein förmliches Heim, gibst ihr Sklavinnen, als ob sie gewohnt wäre, eine Dienerschaft zu befehligen, sinnst und trachtest nichts andres als ihre Gunst, überschüttest sie tagtäglich mit Veilchen und Rosen; kurz du gebärdest dich wie ein fanatischer Isispriester vor dem Standbild seiner allmächtigen Göttin. Ihr freilich, der eingebildeten Puppe, mag es behagen, sich so plötzlich von Reichtum und Glanz überflutet zu sehen . . .«
»Halt!« fiel der Sohn ins Wort. »Verdächtige wenigstens nicht die Selbstlosigkeit ihrer Neigung. Mit dem niedrigsten Obdach im Quartiere der Schiffsknechte hätte sie freudig fürlieb genommen: aber ich zwang ihr das alles auf, weil ich der Meinung bin, daß nichts in der Welt zu gut für sie ist; und ferner, weil die Herzallerliebste des Kaisers wohnen soll, wie eine Kaiserin . . .«
Es war zum Teil Rebellion und prahlerischer Trotz, was aus dieser Rede des Imperators herausklang; denn in Wirklichkeit war ja die Villa der Acte ein zwar reizendes, aber durchaus nicht etwa verschwenderisches, oder selbst nur künstlerisch ausgezeichnetes Bauwerk.
»Die Herzallerliebste!« spöttelte Agrippina . . .
»Die Braut, wenn dir das besser behagt. Ich betrachte sie so, da ja die unglückselige Lage der Dinge mir nicht gestattet, ›Gemahlin‹ zu sagen.«
»Knabe! Bist du gehirnkrank?«
»Nicht daß ich
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