Nervenflattern
Unter dem eigentlichen Wohntrakt befand sich eine Tiefgarage für mindestens vier Autos, wie Lenz schätzte. Im Garten war ein riesiger Pool zu sehen, der jedoch abgedeckt war. Das ganze Gelände war mit hohen Hecken gegen lästige Blicke geschützt. Lenz und Hain spähten durch das Laubwerk
»Wow«, entfuhr es dem sichtlich beeindruckten Hain. »Hier könnte ich es auch aushalten.«
»Fang an zu sparen«, empfahl Lenz ihm und klingelte.
Eine Beleuchtung über ihren Köpfen tauchte die Polizisten in mattes Licht und ein Summen entriegelte das Schloss. Dann fuhr der linke Torflügel zur Seite und gab ihnen den Weg ins Innere frei.
Die beiden Bewohner warteten an der Haustür und baten sie herein.
Auch hier zeugte alles von Wohlstand. An den Wänden hingen größere und kleinere Bilder, die Lenz an die Ausstellung in Hannover erinnerten. In einer Ecke stand eine große Skulptur, von der er glaubte, sie schon einmal in einer Zeitung gesehen zu haben.
Die Laukels führten sie in ein Wohnzimmer, dessen Dimensionen atemberaubend waren. Die komplette Front zur Gartenseite hin war bis zum Boden verglast und vermittelte das Gefühl unendlicher Größe. Die daran anschließende Wand wurde dominiert von Gebilden, die wie überdimensionierte Trichter von Blechblasinstrumenten aussahen und mit rotem Hochglanzlack überzogen waren. Auch in diesem Raum hingen Bilder, die teuer aussahen.
Sie nahmen auf einem cremefarbenen Ledersofa Platz und Lenz sah sich die beiden genauer an. Laukel war ein Mann in seinem Alter mit, im Gegensatz zu ihm, schon völlig ergrauten Haaren. Er machte einen sehr gepflegten Eindruck, seine sparsamen Bewegungen strahlten Ruhe aus. Die Frau sah anders aus als auf dem Bild, das Bilicin ihm vor ein paar Tagen gezeigt hatte. Sie trug die Haare jetzt kurz und hochgestellt, war aber immer noch eine sehr attraktive Erscheinung. Trotz der Uhrzeit und der Tatsache, dass sie sicher schon geschlafen hatte, präsentierte sie sich makellos in einem schokobraunen Kostüm.
»Ich konnte leider nicht verstehen, was Ihr Vater Ihnen am Telefon berichtet hat«, begann Lenz und sah sie dabei an.
»Aber sicher wundern Sie sich, warum mitten in der Nacht zwei Kriminalbeamte bei Ihnen vor der Tür stehen.«
»Das stimmt, Herr Kommissar«, bestätigte sie in akzentfreiem Deutsch.
»Aber mein Vater hat am Telefon schon erwähnt, dass es um Kurts frühere Frau geht. Wie können wir Ihnen helfen?«
Lenz wandte sich Laukel zu.
»Wir haben einen Anfangsverdacht, dass Ihre frühere Frau etwas mit den Ereignissen der letzten Tage und Monate hier in Kassel zu tun haben könnte«, formulierte er vorsichtig.
Laukel legte die Stirn in Falten.
»Mit den Morden und dem Anschlag auf den Redakteur der Zeitung?« Er schüttelte ungläubig den Kopf.
»Genau. Was arbeitet ihre Exfrau, Herr Laukel?«
»Was sie im Moment macht, kann ich Ihnen leider nicht sagen, weil sie komplett aus meinem Leben verschwunden ist.« Er griff nach Eminas Hand. »Zum Glück, wie ich betonen möchte. Bis Mitte letzten Jahres war sie beim Veterinäramt hier in Kassel beschäftigt, dann wurde ihr gekündigt. Vielleicht erinnern Sie sich an den Fleischskandal im letzten Jahr?«
Er sah die Polizisten an, die beide nickten.
»Im Zuge dieses Skandals wurde sie entlassen, weil man ihr, wie ich hörte, Verfehlungen nachgewiesen hatte.«
»Welcher Art war ihre Tätigkeit beim Veterinäramt?«
»Sie war Lebensmittelkontrolleurin. Nach ihrem Chemiestudium hielt sie sich ein Jahr in Amerika auf, wo sie mit einer Künstlergruppe durchs Land gezogen ist. Dort haben wir uns auch kennengelernt. Später sind wir dann gemeinsam nach Hofgeismar gezogen, wo ich aufgewachsen bin, und sie hat bei der Stadt Kassel angefangen zu arbeiten.«
»Lebt ihre geschiedene Frau noch immer in Hofgeismar?«
»So weit mir bekannt ist, nein. Ich habe seit November letzten Jahres keinen Kontakt mehr mit ihr gehabt, aber ein Freund, der dort wohnt, hat mir erzählt, dass sie unser ehemaliges Haus verlassen hat und weggezogen ist. Vielleicht ist sie nach Dänemark gezogen.«
»Wieso nach Dänemark?«
»Sie ist Dänin. Also keine echte Dänin, weil sie in Deutschland geboren wurde, aber sie hat einen dänischen Pass.«
»Sie ist keine Deutsche?«
»Nein, sie hat nur die dänische Staatsbürgerschaft. Aber sie denkt und handelt wie eine Deutsche. Das einzige Dänische an ihr ist der Pass.«
»Wie kommt sie zu der dänischen Staatsbürgerschaft?«
»Ihr Vater war Däne, ihre Mutter
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