Nervenflattern
Kommissar erneut.
»Wie geht das denn so im Geschäftsleben, Herr Freudenstein? Bestechlichkeit ist immerhin ein schwerer Vorwurf.«
»Allen Beteiligten, einschließlich der Stadt als Arbeitgeber von Frau Tauner, war daran gelegen, die Sache so geräuschlos wie möglich zu bereinigen. Das ist dann auch geschehen.«
»Es gab also noch nicht einmal eine Anzeige gegen Frau Tauner?«
»Doch, die gab es, so weit ich weiß, aber sie wurde nicht weiterverfolgt, nachdem sie gekündigt worden war.«
Die beiden Polizisten sahen sich verwundert an.
»Das klingt merkwürdig, wenn Sie mich fragen«, bemerkte Lenz.
Freudenstein wechselte nervös seine Sitzposition. Er versuchte, die Beine übereinanderzuschlagen, was ihm aber nicht gelang.
»Leider war ich im letzten Jahr gerade zur fraglichen Zeit zwei Monate arbeitsunfähig erkrankt, meine Herren. Deswegen kann Ihnen Herr Stricker, der Amtsleiter, sicher mehr und detaillierter Auskunft geben über die damaligen Ereignisse.«
Schön für dich, dachte Lenz.
»Gibt es in Ihren Unterlagen ein Foto von Frau Tauner?«
»Ein Foto?«
Der Veterinär strich sich über sein Dreifachkinn.
»Bei uns bestimmt nicht mehr, wir hätten es weggeworfen. Aber vielleicht werden Sie beim Personalamt im Rathaus fündig.«
Lenz widerstand der Gewohnheit, dem Mann seine Visitenkarte in die Hand zu drücken, als sie sich verabschiedeten. Falls Freudenstein noch etwas einfallen würde, war er nicht interessiert. Hier sollte etwas vertuscht werden, davon war er überzeugt. Das sah Hain genauso, als er ihm auf der Fahrt zum Rathaus davon erzählte.
»Der war auch nicht meine Kragenweite, und das nicht nur wegen seines Schwabbelkörpers. Irgendwie hatte ich das Gefühl, er hat uns nicht alles erzählt, was er weiß.«
»Kann sein. Aber ob uns der Rest, den er vielleicht verheimlicht hat, wirklich interessieren würde, stelle ich mal in Frage. Jetzt versuchen wir, an ein aktuelles Bild zu kommen, dann fahren wir zum Jugendamt.«
34
Hain fand einen Parkplatz im Hof des Rathauses. Die beiden Polizisten mussten sich den Weg durch eine große Hochzeitsgesellschaft bahnen, die auf den Auftritt des Brautpaares wartete. Im Treppenhaus bekam Lenz eine SMS, die er nicht beachtete. Hain verdrehte die Augen, sagte aber nichts.
Andrea Weil, eine junge, resolut auftretende Mitarbeiterin der Personalabteilung, gab ihnen bereitwillig zu den Vorgängen um Simone Tauner Auskunft.
»Natürlich kann ich mich an diesen Fall aus dem letzten Jahr erinnern, ich habe ihn schließlich bearbeitet«, erklärte sie den Polizisten selbstbewusst.
»Na ja, was man so bearbeiten nennt«, schränkte sie jedoch gleich selbst ein.
»Ich habe die fristlose Kündigung ausgefertigt, damit war mein Part auch schon erledigt. Aber ich kann mich noch gut an die Einzelheiten erinnern. Und wie mich das alles genervt hat.«
Lenz gab ihr mit seiner Mimik zu verstehen, dass er darüber gerne mehr erfahren würde.
»Das war eine ganz merkwürdige Geschichte. Ich kann Ihnen zwar keine Details erzählen, dazu müsste ich mir das O. K. meines Chefs einholen, weil wir alle hier in dieser Sache einen Maulkorb verpasst bekommen haben. Aber meine persönliche Meinung darf ich doch sagen, oder?«
»Alles, was Sie uns erzählen, behandeln wir absolut vertraulich, Frau Weil«, versicherte Hain glaubhaft.
Die junge Frau setzte sich aufrecht hin und rückte mit dem Oberkörper näher an die Polizisten heran.
»Frau Tauner konnte gar nichts mit der Sache zu tun gehabt haben, das ist meine Meinung. Ich glaube nämlich nicht, dass sie Geld angenommen hat. Aber ihre Chefs und der große Chef hier im Haus hatten sie sich nun mal als Sündenbock ausgeguckt, und so musste sie eben dran glauben.«
»Interessant«, praktizierte Lenz aktives Zuhören. »Weiter bitte.«
»Es wurde damals alles im Hauruckverfahren geregelt. Und am Ende hat sie dann sogar einen Auflösungsvertrag unterschrieben, obwohl sie genau wusste, dass sie im Recht war.«
»Moment«, wunderte sich Hain, »Sie haben doch gerade gesagt, Frau Tauner sei fristlos entlassen worden.«
»Jeder kann jeden fristlos entlassen, solange er sich dabei an die Spielregeln hält. Das war in dem Fall aber nicht so. Ihre Kündigung hätte jeder Arbeitsrichter in der Luft zerrissen, das wussten alle. Wir in der Abteilung haben im Vorfeld auch mehrmals darauf hingewiesen. Aber irgendwas war da passiert, dass sie um jeden Preis gehen musste.«
»Haben Sie eine Idee, was das gewesen sein
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