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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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aber diese eine Frage hatte ihm keine Ruhe gelassen: Wie konnte er seinen Traumbruder dazu bringen, endlich den Bequemlichkeiten der Gastfreundschaft Din-Mikkiths zu entsagen und sich wieder an die Erfüllung seines Auftrages zu machen? Der Stab Haschevet musste zu Goel gelangen!
    Ein wenig fröstelte ihn in seinem langen weißen Nachthemd. Doch er schenkte dem nicht allzu große Beachtung. Ebenso wenig wie seinen Fingern, die – gleich selbständig handelnden Wesen – mit der Flöte herumspielten, dem Instrument, das ihm so fremd und doch so vertraut war. Er hatte danach gegriffen wie nach einem Schlüssel, der ihm die Lösung zu seinem Problem erschließen könne. Aber er konnte das Schloss nicht finden!
    Seine Gedanken drehten sich unaufhörlich im Kreis: Er konnte seinen Traum dort fortsetzen, wo er ihn zuvor unterbrochen hatte. Dieser Tag hatte ihm vor Augen geführt, wie sehr diese Traumerlebnisse sein Leben beeinflussten – er zehrte von Erfahrungen, die er nie wirklich gemacht hatte. Aber wie konnte er das Gegenteil bewirken? Wie konnte er seine Träume beeinflussen? Wie zu Yonathan Kontakt aufnehmen?
    Jonathan schüttelte verzweifelt den Kopf. Er schloss die Augen; selbst der im silbrigen Mondlicht ruhende Park von Jabbok House schien ihm lästig bei der verzweifelten Suche nach der Lösung des Problems. Tränen bahnten sich ihren Weg durch die geschlossenen Lider. Man würde ihn auslachen, erführe man, dass es nur ein Traum war, der seine Gefühle so in Wallung brachte. Aber es half nichts, sich das immer wieder einzureden. Seine Träume waren besondere Träume und besondere Träume erforderten eine besondere Behandlung.
    In seiner Erregung murmelte er vor sich hin: »Hilf mir doch bitte einen Weg zu ihm zu finden.« Doch im nächsten Augenblick schalt er sich selbst. Wie konnte er nur den Allmächtigen mit etwas so Unwichtigem belästigen? Er war schließlich kein kleiner Junge mehr, dass er zu Gott um eine Torte betete, wenn ihm nach etwas Süßem gelüstete. Verärgert über seine eigene Torheit öffnete er wieder die Augen.
    Zunächst glaubte er, es läge nur an seinem tränengetrübten Blick. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augenlider, doch, was er sah, wollte sich nicht wegwischen lassen: Mond und Sterne des Nachthimmels, Bäume und Büsche des Parks: All das war verschwunden. Hinter dem Fenster befand sich nichts als Schwärze.
    Jonathan stutzte. Wirklich nichts weiter als Schwärze? War da nicht – etwas seitlich versteckt zwar, aber jetzt doch unzweifelhaft erkennbar – ein schwacher rotgelber Schimmer? Es hätte die erlöschende Glut eines Kaminfeuers sein können, deren Schein durch eine geöffnete Tür fiel. Nur da, wo Jonathan das schwache Glimmen ausmachte, dürfte sich eigentlich – nichts befinden. Sein Zimmer lag im ersten Stockwerk und hinter dem Fenster befand sich nur ein schmaler Balkon. Das Schimmern jedoch kam von jenseits der Balustrade!
    Jonathans schaute sich um. Vielleicht hatte jemand die Tür zu seinem Zimmer geöffnet, sodass das Licht einer vergessenen Lampe sich in den Fensterscheiben spiegelte und ihm so diese verwirrende Illusion vorgaukelte. Aber die Tür war geschlossen, und sein Zimmer war in dieselbe Dunkelheit getaucht, die auch auf der anderen Seite des Fensters herrschte
    – abgesehen von diesem rotgelben Schimmer.
    Wieder spürte Jonathan das Frösteln und diesmal schenkte er ihm mehr Aufmerksamkeit. Irgendetwas stimmte nicht da draußen. Und diese Ungewissheit ließ ihn erschauern.
    Natürlich hätte Jonathan die Glocke an seinem Bett betätigen können. Sofort wäre jemand da gewesen und hätte Licht sowohl in das Zimmer als auch in diese rätselhafte Erscheinung gebracht. Es lag Jonathan jedoch nicht, die Dinge aus der Hand zu geben, sobald sich Schwierigkeiten ankündigten. Er wollte die Quelle dieses matten Leuchtens selbst enträtseln.
    Statt sich zur Tür zu begeben, die zum Balkon hinausführte, streckte er sich da, wo er saß, nach dem Riegel des Fensters. Aber er konnte ihn nicht erreichen. Er rollte seinen Stuhl vor, bis seine Knie an die Wand stießen und reckte sich wieder hoch. Noch immer war der Riegel zwei Handbreit von seinen Fingerspitzen entfernt. Jonathan nahm alle Kraft zusammen, stützte sich mit der Linken auf die Lehne seines Rollstuhls und schob die Rechte zum Riegel vor. Zoll um Zoll näherte er sich dem Verschluss – und erreichte ihn schließlich.
    Erleichtert ließ er sich wieder in den Stuhl zurücksinken.
    In

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