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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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diesem Augenblick wurde es ihm bewusst: Er war von seinem Stuhl aufgestanden! Sonst hätte er den Riegel nicht erreichen können.
    Fassungslos und von wilder Erregung gepackt versuchte er es ein zweites Mal. Im Nu stand er auf den Beinen. Es hatte ihn keinerlei Mühe gekostet. Abwechselnd stampfte er vom linken auf den rechten Fuß, um sich sicher zu sein, dass er nicht nur träumte, was er da erlebte…
    Aber wie konnte er sicher sein? Ein Traum! Ja, natürlich, das war die einzige Erklärung. Er war eingeschlafen in seinem Rollstuhl – ohne es zu bemerken. Seine Phantasie spielte ihm jetzt dieses unglaubliche Gefühl vor, das er zuletzt vor fast sechs Jahren genossen hatte: auf seinen eigenen Beinen zu stehen. Also war auch die Lichterscheinung hinter dem Fenster nur ein Traum. Unbewusst drehte er sich zu dem Stuhl um, als erwartete er, sich selbst dort zusammengesunken, vom Schlafe übermannt, sitzen zu sehen. Doch der Rollstuhl war leer.
    Fast wäre Jonathan umgefallen, so heftig befiel ihn der Schwindel. Nur der Fenstergriff gab ihm genügend Halt, um sich zunächst einmal vom Schock dieses so wirklichkeitsnahen Traumes zu erholen. Am liebsten hätte er sich sogleich in seinen Stuhl fallen lassen und enttäuscht abgewartet, bis er wieder erwachen würde (mit Rückenschmerzen vermutlich; es wäre nicht das erste Mal, dass er in seinem Stuhl eingeschlafen war). Andererseits, überlegte er sich, kann ich genauso gut nachschauen, was es mit diesem Schimmer auf sich hat. Also packte er entschlossen auch den zweiten Messinggriff am unteren Teil des Rahmens und schob das Fenster in die Höhe.
    Ein Schwall feuchtwarmer Luft schlug ihm entgegen und ließ ihn erschrocken zurückfahren. Es war Nacht und Mitte Oktober. Nicht einmal am Tage war es hier im Hochland so warm. Er nahm allen Mut zusammen und kletterte aus dem Fenster. Vielleicht konnte er vom Balkon aus mehr erkennen.
    Auf der anderen Seite schob er die Füße vorsichtig über den Boden. Schon wieder wunderte er sich, denn längst hätte er die steinerne Brüstung des Balkons erreichen müssen. Aber nun näherte er sich der Quelle des Schimmerns.
    Es war tatsächlich eine Türöffnung, aus der das Licht kam. Mit Mühe tastete sich Jonathan vor zu diesem Durchgang und stieß dabei einmal an einen unsichtbaren Gegenstand. Er hörte ein auf-und abschwellendes, seltsam raschelndes Geräusch, das ihn zu der Lichtquelle hintrieb. In dem angrenzenden Zimmer sah er die nur noch schwach leuchtende Glut eines schon erloschenen Feuers.
    Doch er sah noch etwas – etwas, das er im ersten Moment nicht glauben wollte: Vor ihm auf dem Boden, auf ihren provisorischen Lagern friedlich ausgestreckt und fest schlafend, lagen Din-Mikkith und Yomi. Es war das erste Mal, dass Jonathan den Behmisch schlafen sah.
    Und dort drüben saß auch Girith, der Rotschopf, auf seiner Stange und schlief tief.
    Zweifelnd drehte sich Jonathan nach dem Fenster um, durch das er an diesen Ort, Din-Mikkiths Baumhaus, gelangt war, aber dort war nichts als undurchdringliche Dunkelheit. Enttäuscht zuckte er die Achseln. Da war er wohl wieder in seiner Traumwelt Neschan. Obwohl ihn die Art und Weise, wie er hierher gelangt war, verwirrte, beschloss er sich nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Er war schrecklich müde. Morgen, das stand für ihn fest, würde er seine sofortige Weiterreise verkünden. Also musste er ausgeschlafen sein.
    Er wandte sich der Richtung zu, in der das Bett stand, das Din-Mikkith ihm als Krankenlager zur Verfügung gestellt hatte. Blind tastete er sich wieder vorwärts. Ein dumpfer Schlag, begleitet von einem stechenden Schmerz im rechten Schienbein, zeigte ihm, dass er angekommen war.
    Als er sich auf das Lager niederlassen wollte, hörte er hinter sich ein Fiepen und eine verschlafen brummende Stimme: »Mach nicht solchen Lärm, Gurgi. Yo, bist du das? Du hast mich wach gemacht. Was ist denn los?«
    Jonathan glaubte zu einem Eiszapfen zu erstarren. Diese Stimme, die da so verdrossen aus dem Bett herüberkam, war ihm bekannt wie keine zweite. Kein Wunder, es war seine eigene! Es war die Stimme Yonathans, seines Traumbruders. Aber was spielte das schon für eine Rolle? Nie in seinem Leben war ihm so klar gewesen, wie ähnlich sich diese beiden Stimmen waren. »Aber wie…?«, stammelte er.
    »Du bist nicht Yomi!«, hörte er die andere Stimme sagen, die nun kein bisschen verschlafen mehr klang. »Din?«
    Jonathan schwieg. Dieser ganze Traum war ihm nicht geheuer. Er

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