Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok
wollte aufwachen – sofort!
»Nein, du bist auch nicht Din-Mikkith, aber wer bist du dann?« Und nach einer Weile: »Benel! Bist du es?«
Es hatte keinen Zweck. Jonathan musste sich bekennen. »Nein, ich bin’s«, sagte er endlich. Das alles gefiel ihm nicht.
Es war, wie das allererste, unvorbereitete Zusammentreffen mit einem Zwillingsbruder, von dem man bisher noch nichts gewusst hatte. Außerdem war da noch dieses Rascheln und Fiepen am Kopfende des Bettes, das ihn verunsicherte. Irgendetwas lauerte dort. Am liebsten läge Jonathan wieder in seinem Bett, das sich ja nur wenige Schritt weit auf der anderen Seite des Fensters befand. Er versuchte seiner Stimme Festigkeit zu verleihen, als er hinzufügte: »Und mach nicht solchen Lärm. Sonst weckst du die anderen noch auf.«
Diese wenigen Worte reichten aus, um nun Yonathan, seinen Traumbruder, in helle Aufregung zu versetzen. »Deine Stimme!«, stammelte er. »Das ist nicht Benels Stimme. Es ist… meine!«
»Ganz recht«, stimmte Jonathan zu.
»Aber wie…?«
»Das habe ich mich auch schon gefragt!«
»Du musst doch Benel sein«, beharrte Yonathan in einer Mischung aus Bestimmtheit und Ehrfurcht. »Das ist so ‘ne Art Wunder, stimmt’s?«
»Nun hör schon endlich damit auf, Yonathan. Ich bin du. Ich meine… du bist ich. Ach – ich weiß nicht, wie ich’s dir erklären soll. Sag mir lieber, wen du da bei dir versteckt hältst.«
Er hörte ein Kichern aus der Dunkelheit. »Das ist nur Gurgi. Die tut dir nichts – wenn ich es ihr nicht befehle.«
»Ach so«, sagte Jonathan erleichtert. Den Masch-Masch hatte er in seiner Aufregung ganz vergessen. »Ich glaube kaum, dass sich der Tollpatsch für mich interessieren wird. Ich habe keine Süßigkeiten dabei.«
»Du kennst Gurgi?«, verwunderte sich die Stimme aus der Dunkelheit.
»Ja, natürlich«, entgegnete Jonathan. »Schließlich ist er mir… ich meine dir ja erst kürzlich in den Schoß gefallen, oder?«
»Du bringst mich durcheinander«, sagte Yonathan. »Dein ganzes Gerede von dir und mir. Ich kann nicht gerade behaupten, dass mir die Sache dadurch klarer wird. Sag mir doch einfach klipp und klar, wer du bist.«
Jonathan musste sich eingestehen, dass es nicht so einfach war, diese Situation zu erklären. Er versuchte es trotzdem. »Also pass auf. Meine Name ist Jonathan – ganz ähnlich wie deiner. Du existierst eigentlich gar nicht.«
»Hör mal!«, protestierte Yonathan. »Bis eben war alles in bester Ordnung, da kommst du hier hereingeplatzt, stiehlst mir den Schlaf, behauptest ich zu sein und möchtest mir obendrein noch einreden, dass es mich eigentlich gar nicht gibt.«
»Ich gebe ja zu, es ist nicht so leicht zu verstehen. Also lass es mich noch einmal anders erklären. Aber vielleicht könntest du zunächst für etwas Licht sorgen. Ich würde dich gerne mal aus der Nähe betrachten.«
Der im Bett schien einen Augenblick zu überlegen. »Um Yomi mache ich mir keine Sorgen. Der schläft wie ein Bär. Aber meinst du nicht, Din-Mikkith könnte aufwachen? Ich wundere mich, dass er nicht schon längst hier ist.«
Jonathan zuckte die Achseln. »Ich glaube eigentlich nicht. Wir haben inzwischen so viel Lärm gemacht, dass er schon längst hätte aufwachen müssen. Möglicherweise hat ihn ja so eine Art Tiefschlaf übermannt, wie damals Navran, als Benel dich besuchte.«
»Du scheinst dich ja wirklich gut mit meiner Lebensgeschichte auszukennen.« Yonathans Stimme war anzuhören, dass es ihm nicht wohl in seiner Haut war. »Also gut, ich mache Licht.«
Yonathan schlich in den Nebenraum, entzündete eine kleine Öllampe und kehrte zu seinem Gast zurück. Um sicher zu sein, dass seine beiden Gefährten und der Papagei nicht doch noch durch das Licht aus seiner Kammer geweckt wurden, schloss er die Durchgangstür mit der Matte aus grünem Flechtwerk. Schüchtern setzte er sich auf der Bettkante seinem Besucher gegenüber. Der betrachtete im Augenblick mit skeptischem Blick den kleinen Masch-Masch, der irritiert zu sein schien, dass sein neuer Freund sich verdoppelt hatte.
»Gurgi tut wirklich nichts«, versicherte Yonathan seinem nächtlichen Gast.
Das eigenartig weiße, lange Hemd, das dieser trug, ließ ihnkurz wieder an Benel denken. Aber eine weitere Ähnlichkeit mit dem gleißenden Boten Yehwohs ließ sich im schwachenLicht der Öllampe nicht erkennen. Im Gegenteil, dieserBesucher hatte Ähnlichkeit mit ihm selbst. Nicht nur die dunkelbraunen, fast schwarzen Haare bestärkten
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