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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Himmel gestreckter Nase durch die Wildnis zu tappen.«
    »Ich glaube, du hast deine Lehre bereits erhalten und wirst diesen Fehler bestimmt nicht wieder begehen. Aber sag, mein Junge, wo hast du diesen Stab gelassen? Ich habe ihn nicht gesehen, als du hereinkamst.«
    »Er steht draußen vor der Tür. Soll ich ihn hereinholen?« Yonathan wartete Navrans Antwort nicht ab, sondern eilte zur Tür. Mit dem Stab in der Hand kehrte er zurück und wollte Navran den außergewöhnlichen Fund in die Hand drücken. Aber etwas hielt ihn zurück…
    Erschrocken bemerkte er eine Woge der unterschiedlichsten Gefühle, die über ihn hinwegrollte – nicht seine eigenen Empfindungen, wie er mit Verwunderung feststellte, sondern… Navrans? Da waren Wiedersehensfreude, Erschöpfung, Zuneigung, Sorge und ein Gefühl ehrfürchtiger Zurückhaltung.
    Verwirrt blickte er in Navrans wettergegerbtes Gesicht und dann auf den Stab. Unsinn!, sagte er sich und hielt Navran den Stab entgegen: »Hier, schau ihn dir an. Ist das nicht ein prächtiges Stück?«
    Navran sprang vom Tisch auf. Im Zurückstolpern riss er den Stuhl um, der laut polternd auf die Holzbohlen fiel. Beide Hände erhoben entgegnete er abwehrend: »Schon gut, schon gut, mein Junge. Leg ihn auf den Tisch, damit ich ihn genauer betrachten kann.«
    Yonathan wurde nicht ganz schlau aus der Reaktion seines Pflegevaters. Waren die verworrenen Gefühle, die er gerade empfunden hatte, vielleicht doch real? Vorsichtig, als wäre der Stab aus Glas, legte er ihn auf die Tischplatte.
    Navran hatte inzwischen eine kleine Öllampe angezündet und stellte sie neben den Stab auf den Tisch. Der alte Mann musterte das Stück mit großem Erstaunen.
    »Tatsächlich!«, sagte Navran nach langem Schweigen, mehr zu sich selbst als zu Yonathan. »Er muss es sein.«
    Das Holz knackte im Kamin und die Öllampe warf groteske Schatten an die Wände, die die Spannung in dem kleinen Raum noch erhöhten.
    »Was meinst du, Navran?«, fragte Yonathan endlich. »Kennst du diesen Stab? Hast du ihn schon einmal gesehen?«
    »Halt, mein Junge. Nicht so hastig«, sagte Navran. »Ich erzähle es dir ja, aber stell ihn zuerst dort drüben neben den Kamin.«
    Obwohl Yonathan nicht begriff, warum Navran den Stab nicht anrühren wollte, tat er, was dieser wollte. Als Yonathan wieder am Tisch saß, begann Navran zu erzählen.
    »Ich habe dir in den vergangenen Jahren doch einiges über die Tränenwelt erzählt, die wir ›Neschan‹ nennen?«
    Yonathan nickte.
    »Wie du weißt, wurde Neschan nicht von unserem großen Gott, Yehwoh, geschaffen, sondern von einem seiner Söhne. Dieser sah das Universum und all die schönen Dinge, die Yehwoh gemacht hatte, und er wollte ebenfalls etwas so Wunderbares hervorbringen. Anfangs mag sein Schöpfungswerk vielleicht noch aus einer gewissen Bewunderung für das Wirken seines göttlichen Vaters entsprungen sein, aber schon bald änderte sich seine Einstellung. Er machte sich selbst zum Gott über die von ihm erschaffene Welt und nannte sich ›Melech-Arez‹. In der Sprache der Schöpfung bedeutet sein Name etwa so viel wie ›König des Landes‹ oder einfach ›Herrscher der Welt‹.
    Melech-Arez hatte gesehen, dass alle seine unsichtbaren Brüder Yehwoh als ihren Vater anbeteten und auch er wollte verehrt werden. Deshalb stellte er Yehwohs Herrschaft in Frage. Melech-Arez schuf nicht nur Neschan mit allen Pflanzen und Tieren, sondern auch Menschen, die ihn als ihren alleinigen Gott anbeten sollten. Diese waren Kopien seiner unsichtbaren Brüder, deren Anbetung ihm ja verwehrt geblieben war.
    Es zeigte sich jedoch, dass seine Fähigkeiten nicht ausreichten. Schon bald hatten seine Geschöpfe keine Ähnlichkeit mit den Menschen mehr, wie du sie heute kennst. Es waren hässliche Bestien und Missgeburten. Die Drachen waren zum Beispiel solche Wesen. Obwohl sehr intelligent,entsprach ihr Äußeres eher dem rebellischen und bösen Geist Melech-Arez’.«
    Yonathan hatte die alten Geschichten von Drachen und anderen Ungeheuern gehört, sie aber für Märchen gehalten.
    »Manche behaupten, es gäbe an abgeschiedenen Orten noch immer einige dieser Wesen«, setzte Navran hinzu. »Aber schließlich schien es Melech-Arez doch gelungen zu sein Menschen zu erschaffen. Aber das war eine Täuschung. Diese Wesen konnten ihre menschliche Art nicht weitervererben. So kamen seltsame Rassen zum Vorschein, die vielleicht äußerlich noch Ähnlichkeit mit uns Menschen hatten, aber in Wirklichkeit keine

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