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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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den Kopf. »Ich verstehe das alles nicht.«
    »Vielleicht bin ich dir eine Erklärung schuldig«, sagte Navran. »Vor vielen Jahren gab Goel mir den Auftrag hier nach Kitvar zu kommen und nach dem Stab zu suchen; nach Haschevet und nach einigen anderen Gegenständen, die er bei seinem Kampf mit Grantor verloren hatte. Außerdem gehörte es zu meinem Auftrag, nach dem Träger des Stabes Ausschau zu halten und beide zu Goel zu senden.«
    Yonathan dachte an die seltsame Geschäftigkeit, die seinen Ziehvater immer überkam, wenn die Marktbuden in der Stadt aufgebaut wurden. »Hast du je etwas gefunden?«
    »O ja, Yonathan.« Navran hob die Hand, an deren Zeigefinger die Lederschnur mit dem alten Säckchen hing. »Goels Beutel hier habe ich oberhalb des Finkenwaldes gefunden. Du kannst hier unten noch das Zeichen der Richter Neschans erkennen.« Er deutete auf das goldene Viereck am Boden des Säckchens.
    »Das Viereck stellt die Haupteigenschaften Yehwohs dar, nicht wahr?«
    »Richtig. Wie im Quadrat alle vier Seiten gleich sind, so stehen auch die Liebe, die Weisheit, die Macht und die Gerechtigkeit Yehwohs in vollkommenem Gleichklang. Das Gleiche bedeuten übrigens die vier Gesichter, aus denen der Knauf Haschevets besteht. Jedes Antlitz steht für eine der Eigenschaften Yehwohs. Der Mensch steht für die Liebe, der Adler für die Weisheit, der Löwe für die Gerechtigkeit und der Stier für die Macht. Alles fügt sich wunderbar zusammen.«
    Yonathan nickte. »Doch wozu dient dieser Beutel?«
    »Dieser Beutel«, Navran hob das Säckchen ein wenig höher, »enthält eine ewige Notration. Solltest du einmal nichts mehr zu essen haben, dann greife in den Beutel; du wirst dort immer genügend finden, um satt zu werden.«
    Yonathan zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen. »Darf ich einmal hineinschauen?«
    »Natürlich. Nimm ihn.«
    Yonathan nahm das Säckchen entgegen. Das Leder fühlte sich in seiner Hand angenehm warm und weich an, obwohl der Beutel schon viele Jahre in der Truhe Navrans gelegen haben musste.
    Vorsichtig lockerte er die Verschnürung und spähte in das Innere der winzigen Provianttasche. Was er sah, war vertrocknete Brotrinde.
    »Das soll ich essen?«, fragte er.
    »Nun das nicht«, sagte Navran, nahm den Beutel und schüttete die unansehnlichen Überreste in die Asche des Kamins. »Aber das hier.« Er ließ ein kleines Stück Brot, etwas Butter und Käse im Beutel verschwinden. »Du musst nur dafür sorgen, dass etwas im Sack ist. Für die ausreichende Menge sorgt schon das Säckchen bzw. die Kraft dessen, der ihm diese Fähigkeit verliehen hat.«
    »Ein Zauberbeutel, nicht wahr?«
    »Von Zauberei wollen wir lieber nicht sprechen. Wenn ich dieses Wort höre, muss ich immer an Temánahs schwarze Priester denken und an die Beschwörung dunkler Mächte. Allerdings wohnt dem Beutel eine übernatürliche Kraft inne; was dich jedoch nicht zum Faulenzen anhalten soll, Yonathan.«
    »Was meinst du damit?«
    »Du darfst ihn nur im Notfall benutzen. Dann kannst du so viel Nahrung entnehmen, wie du benötigst; jedoch nicht mehr!
    Vergiss auch nicht, den Beutel wieder aufzufüllen, sobald du wieder für dich selbst sorgen kannst.«
    Yonathan hatte aufmerksam zugehört. Jetzt sah er den unscheinbaren Beutel mit ganz anderen Augen.
    Navran legte das Säckchen auf den Tisch und griff nach einem birnenförmigen Fläschchen. Es bestand aus fein poliertem Schildpatt, war mittelbraun bis gelb gefärbt und mit einem feinen Netz dunkelbrauner Flecken umspannt.
    Yonathan bemerkte, dass sich Flüssigkeit in dem Gefäß befand. Neugierig öffnete er den Messingverschluss, der die Form eines Löwenkopfes hatte und durch ein kleines Kettchen mit dem im gleichen Metall eingefassten Flaschenhals verbunden war. Ein scheußlicher Geruch drang aus derÖffnung. Er sprang auf und stürzte mit der Flasche zur Tür.
    »Hast du etwas dagegen, wenn ich das Zeug gleich hier draußen ausschütte?«, fragte er mit angewidertem Gesicht.
    Navran nickte belustigt. »Nein, nein. Tu’s nur, Yonathan. Du würdest unsere Hütte für eine Woche unbewohnbar machen, wenn du es hier drinnen tätest.«
    »Was ist das nur?« Yonathan saß wieder am Tisch und hielt Navran die Flasche entgegen. »Eine Geheimwaffe?«
    »Ich hätte dich warnen müssen. Aber diese Flasche gehörte ebenfalls zum Besitz Goels. Ich habe sie vor vielen Jahren einem Fallensteller abgekauft, der sie im Finkenwald gefunden hatte – ich traf ihn übrigens auf dem Großen

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