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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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asthmatisch. »Wenn Ihr also damit vorlieb nehmen wollt, dann dürft Ihr die Kammer für die Dauer der Reise Euer eigen nennen.«
    »Oh, das wird schon in Ordnung gehen«, versicherte Yonathan. »Ich bin gewohnt mit wenig Raum auszukommen. Tagsüber werde ich sicher viel an Deck sein – und da habe ich die ganze Weite des Himmels.«
    »Ihr gefallt mir, Junge«, knarrte Kaldek, und während er Yonathan auf die Schulter klopfte, sagte er: »So spricht ein echter Seemann. Sagt an, ist dies Eure erste große Seereise?«
    »Auf dem Meer habe ich schon viele Tage zugebracht, aber nie für längere Zeit. Ich würde mich freuen, wenn ich Euch gelegentlich zu Diensten sein könnte, Herr Kapitän. Dies würde mir sicherlich etwas Abwechslung während der langen Reise verschaffen.«
    Dieses Angebot war wohl verlockend für Kaldek: ein zahlender Passagier, der ohne Heuer für ihn arbeiten wollte.Aber dann sagte er doch: »Der Preis für Eure Überfahrt ist bereits beglichen; Ihr könnt es Euch also getrost gut gehen lassen. Wir haben hier eine Menge Hände auf dem Schiff, die alles erledigen, was es zu tun gibt – trotzdem vielen Dank.«
    »Schade«, seufzte Yonathan enttäuscht. Ein anderer Gedanke schoss ihm durch den Kopf. »Wer hat Euch eigentlich den Auftrag überbracht mich von Kitvar nach Cedanor mitzunehmen?«
    Der Kapitän runzelte die Stirn. »Das müsstet Ihr doch am besten wissen, mein Junge.«
    Yonathan biss sich auf die Unterlippe. Er musste vorsichtigermit seinen Äußerungen sein. »Natürlich weiß ich, wer den Auftrag gab«, erwiderte er schnell. »Ich wollte nur wissen, wen er damit zu Euch gesandt hat.«
    Die Augen des Kapitäns nahmen einen verklärten Ausdruck an. »Ich erinnere mich gar nicht mehr, wie der Bote aussah oder wie er hieß. Ich weiß nicht mal mehr genau, wann er zu mir kam. Manchmal ist mir so, als wäre es erst vor wenigen Tagen gewesen – aber das kann ja nicht sein; da waren wir noch auf hoher See. Der Bote wird wohl kaum durch die Luft geflogen sein.« Der Kapitän schüttelte den Kopf, so als wollte er einen seltsamen Traum verscheuchen. »Mir scheint, ich werde alt. So oder so: Hauptsache, der Preis ist bezahlt und Ihr seid hier.«
    Yonathan hätte gerne Näheres über den Preis erfahren, aber Kaldek rief schon den Seemann Hardor zu sich heran.
    »Soeben kommt mir eine Idee, wie Ihr Euch doch nützlich machen könnt!«, wandte sich Kaldek noch einmal an Yonathan. »Könnt Ihr schreiben und lesen?«
    »Ja, ich habe beides gelernt.«
    »Dann gäbe es vielleicht eine sinnvolle Beschäftigung für Euch. Ich führe über jede unserer Reisen Buch. Meine Augen werden schlechter und es fällt mir zunehmend schwer, die Eintragungen vorzunehmen. Wärt Ihr bereit mir bei dieser Arbeit behilflich zu sein?«
    »Gern!«, erwiderte Yonathan freudig.
    »Fein, fein«, bemerkte Kaldek zufrieden und gab dem inzwischen herbeigeeilten Hardor Weisung Yonathan in die Wertgutkammer zu geleiten. Mit einem knarrenden »In Kürze stechen wir in See; muss noch einiges erledigen; wir sehen uns dann später«, verabschiedete sich der Kapitän von Yonathan. Er wandte sich um und seine Stimme brandete auf in einem Schwall von Anweisungen und Flüchen, mit denen er seine Besatzung abrupt aus ihrer Lethargie riss.
    »Hier entlang, bitte.«
    Die Kammer war wirklich klein, nicht viel länger als die Liege, die dort stand, und etwa dreimal so breit. Da Yonathan noch nicht ganz die Größe eines Erwachsenen besaß, konnte er sich hier bequem bewegen. Er war zufrieden, hatte er doch noch nie einen Schlafraum für sich allein besessen.
    »Etwas ist merkwürdig«, sagte der Seemann. »Kapitän Kaldek hat diese Kammer erst vorgestern herrichten lassen, kurz bevor wir in den Hafen von Kitvar einliefen. Normalerweise bereitet er wichtige Geschäfte rechtzeitig vor, damit alles wie am Schnürchen läuft. Für Hauruckaktionen hat er sonst wenig übrig. Im Nachhinein war es gerade so, als hätte der Kapitän Euch vergessen und erst der Gedanke an den Hafen von Kitvar ihm seine Erinnerung wieder zurückgebracht.«
    Yonathan vermutete etwas anderes. In dem Moment, in dem er Haschevet gefunden hatte, stand fest, dass er diese Reise antreten würde. Dies war auch der Zeitpunkt, als Kaldek seinen Auftrag erhielt, dessen Begleitumstände aber aus seiner Erinnerung getilgt schienen. Kaldek glaubte jetzt, irgendwann in Cedanor ein gutes Geschäft abgeschlossen zu haben. Ob Yonathan sich je hätte anders entscheiden können als für diese

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